Disney-Filme in den 90ern

Eine Zeichentrickfilmschmiede auf dem Zenit, denn in keinem anderen Jahrzehnt passten sowohl Qualität als auch Quantität: Ich blicke zurück auf meine Kindheit mit den Disney-Filmen der Neunziger Jahre.

 

Spätestens seit dem Disney-Meisterwerk Arielle, die Meerjungfrau ließen sich die Walt-Disney-Studios das lukrative Kinogeschäft nicht mehr entgehen und brachten im Jahrestakt neue aufwändig produzierte Zeichentrickfilme in die Kinos. Immer um Weihnachten herum strömten nicht nur vom Disney-Club gebrainwashte Kiddies in die Lichtspielhäuser, nein, ganze Familien deckten sich mit Popcorn ein und genoßen die animierten Filme der Mickey-Mouse-Company. Zwischen 1990 und 1999 erreichten die Zeichentrickfilme rund um heutige Popkulturikonen wie Simba, Aladdin, Hercules und Pocahontas Kultstatus. Und die Faktoren für den Erfolg waren immer die gleichen: Großartige Zeichnungen, einzigartige Ideen, moderne Technik und Musik, die aus den Filmen Broadway-taugliche Musicals machte. Nicht ohne Grund wurde in den Neunziger Jahren der jährliche Disney-Zeichentrickfilm zum Blockbuster des jeweiligen Jahres.

 

1990, das Jahr, in dem Deutschland zum dritten Mal Fußballweltmeister wurde, kam mit Bernard und Bianca im Känguruhland womöglich die Inspiration für all die späteren Abiturienten in die Kinos, die erst einmal ein Jahr Pause in Australien machen wollten. Dabei war der Film rund um die Mäuse-Detektive keine originäre Angelegenheit. Bereits 1977 kam mit Bernard und Bianca – Die Mäusepolizei ein Vorgänger, der ebenfalls auf der Kinderbuchserie von Margery Sharp basierte, in die Kinos. Doch einen Umbruch stellte der Film für die Walt-Disney-Studios definitiv dar, was auch im „Lexikon des Internationalen Films“ nachzulesen ist: „Die Rückkehr von Bernard und Bianca zeigt das Disney-Studio an einem Wendepunkt: nicht mehr die klassische Figuren-Animation (wie noch im ersten Teil) dominiert, sondern eine atemberaubende, computergestützte Effekt-Animation.“

 

Mit ihrer Märchenadaption von Die Schöne und das Biest verstärkte Disney 1991 diesen Einsatz von CGI. Spektakuläre Szenen wurden beinahe komplett am Computer entwickelt. Mit ihrem bereits 30. abendfüllenden Kinofilm setzte die Firma auch in finanzieller Hinsicht neue Maßstäbe. Der Zeichentrickfilm spielte geschlagene 146 Millionen US-Dollar ein, was in diesem Jahr nur durch „Terminator 2“ und „Robin Hood“ getoppt werden konnte. Der Erfolg sollte sich 1992 mit einem weiteren Märchen fortsetzen: Aladdin spülte dem Konzern weltweit etwa 480 Millionen US-Dollar in die Kassen. Auch inhaltlich überzeugte der Film und gilt unter Kritikern bis heute als einer der einfallsreichsten der Disney-Geschichte, welcher zusätzlich noch auf zwei Ebenen funktioniert: Zum Einen bunte, wilde Unterhaltung für die Kinder und zum Anderen intelligente Witze und Dialoge für die Erwachsenen.

 

Der Erfolg Anfang der Neunziger gab den Walt-Disney-Studios das Selbstvertauen, einen Schritt weiter zu gehen und ein ultimatives Mammutprojekt in Angriff zu nehmen: Der König der Löwen. Nach einem Jahr Pause veröffentlichte Disney 1994 den noch bis heute erfolgreichsten klassischen Zeichentrickfilm aller Zeiten. Die Geschichte von Simba, der vom kleinen Löwen zum König der Steppe wird, brachte das Unternehmen auf eine neue Stufe. Nie zuvor wurde so viel Energie in die Animationen, Musik und das dazugehörige Merchandise gesteckt. „Der König der Löwen“ stellte alles in den Schatten, was es dem 1995 erschienenen Nachfolger Pocahontas nicht leichter machte. Der Film, der auf dem Leben einer amerikanischen Ureinwohnerin basiert, gilt zwar als erfolgreiches Machwerk, konnte jedoch nie die finanzielle als auch populäre Schlagkraft seines Vorgängers erreichen.

 

1996 erschien mit der Der Glöckner von Notre Dame ein Film, der auf dem weltbekannten Roman von Victor Hugo beruht. Kritiker und Fans sind sich bis heute nicht einig, ob der Film nun eine von Disney unerträglich in die Familienfreundlichkeit gequetschte Belanglosigkeit ausstrahlt oder ob er ein unterschätztes Juwel ist, das auf einer Stufe mit „Aladdin“ und „Die Schöne und das Biest“ stehen sollte. Unabhängig davon hat „Der Glöckner von Notre Dame“ einen tollen Soundtrack, der es sogar zu einer Oscar-Nominierung schaffte. Einen ungewöhnlichen Schritt gingen die Walt-Disney-Studios 1997 mit Hercules, indem sie sich an der griechischen Mythologie bedienten. Owen Gleiberman von Entertainment Weekly sah 1997 in dem Film ein Paradebeispiel für moderne Disney-Kost: „’Hercules’, like ‘Aladdin’, zips Disney’s house animation style past sentimentality and into an age of ironic media-wise overload. That’s not a bad place for it to be.“

 

Vermutlich angespornt vom Erfolg des Göttersohnes Zeus orientierten sich die Walt-Disney-Studios 1998 zum ersten Mal an einer asiatischen Vorlage. Mit Mulan wurde ein Film veröffentlicht, der auf einer chinesischen Ballade basiert und vom brisanten Thema der Geschlechterrolle in einer Gesellschaft erzählt, in der der Mann das Schwert und die Frau den Kochlöffel zu schwingen hat. Zeichentrickfilme aus dem Hause Disney waren zu diesem Zeitpunkt jedoch längst nicht mehr über jeden Zweifel erhaben, was Janet Maslin von der New York Times 1998 zu kritischen Äußerungen brachte: „Disney takes a sledgehammer to the subject of gender stereotyping in ‚Mulan‘, a film that not only breaks the cross-dressing barrier but also ratchets up the violence level for children’s animation.” Einen letzten Anlauf vor dem Millenium wagten die Walt-Disney-Studios 1999 mit der weltberühmten Geschichte von Tarzan. Wie schon mit den Vorgängern machte Disney auch mit „Tarzan“ weder Verlustgeschäfte noch eine schlechte Figur. Die Fortschrittlichkeit, mit der Disney bei der Entwicklung ihrer Produktionen arbeitete, zeigte darüber hinaus die 3D- und Render-Software Deep Canvas, mit der es möglich ist, CGI-Hintergründe wie gewöhnliche Zeichnungen aussehen zu lassen. Für diese Technik gab es 2003 sogar einen Spezial-Oscar.

 

Viele der Filme erhielten Fortsetzungen, die jedoch nie an die Originale herankamen und wahrscheinlich daher direkt auf DVD erschienen sind. Auch einige Zeichentrickserien, die auf den Filmen beruhen, sowie Musicals mit echten Sängern und Tänzern wurden produziert. Disney hat in den Neunziger Jahren großartige Meisterwerke geschaffen, die nach wie vor begeistern können. Kaum ein Erwachsener von heute kann nicht über mindestens einen der in diesem Beitrag erwähnten Filme sagen, dass er ihn nicht gerne gesehen hat. In den 2000ern folgten ebenfalls gute, aber längst nicht mehr so ikonische Filme wie beispielsweise „Dinosaurier“, „Atlantis“ oder „Bärenbrüder“. Disney ist zu einem der größten Medienkonzernen überhaupt geworden, der sich um Superhelden und Star Wars kümmern muss. Die klassischen Zeichentrickfiguren mit eigenen Attraktionen in Vergnügungsparks spielen in ihrem Finanzplan nicht mehr die selbe Rolle wie damals. Und das merkt man leider.

6 Comments

  1. Ich glaube, das ist das Kulturgut, das unsere Generation am meisten vereint. Schon ein bisschen traurig .. 😉

  2. Hm, ich finde die aktuelleren Filme auch noch sehr sehenswert. Egal ob Merida, Oben, Küss den Frosch oder Rapunzel, ich mag die Filme. Gibt einige die ich nicht so toll finde, aber die gab es auch früher.

    Setze mich öfter dazu, wenn die Kids Disney-Filme schauen. Von den jüngsten Filmen sind Frozen und Merida meine Highlights.

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