Kurz & knapp #27: Wolf People, Kool Savas, Mafia III, Midnighter…

So viele spannende Neuerscheinungen und so wenig Zeit, all diese Platten, Filme, Spiele und Comics ausführlich zu behandeln. Im Format “Kurz & knapp” bringe ich es daher in Kurzreviews auf den Punkt. Diesmal mit dabei: Kate Tempest, Wolf People, Kalim, The Strumbellas, Kool Savas, Turnstile, Soulja Boy & Bow Wow, Kaas, West Coast, Mascots, Chewing Gum, Mirror’s Edge Catalyst, Mafia III, Nils Oskamp, Batman/Teenage Mutant Ninja Turtles & Midnighter.

 

Wolf People “Ruins”

Was Kate Tempest Anfang des Jahres bereits in ihrem Debütroman „The Bricks That Built The Houses“ begonnen hat, führt sie auf ihrem dritten Studioalbum „Let Them Eat Chaos“ fort: Sie erzählt detailliert ausgeschmückte Geschichten von unterschiedlich situierten Menschen, die sich durch einen mit Problemen beladenen Großstadtmoloch schlagen. Mit ihrer Mischung aus hastig vorgeführten Raps und eindringlichen Spoken-Word-Passagen funktioniert Tempests Musik am besten, wenn sie aufmerksam genossen wird. Nur so entfalten sich politische und gesellschaftskritische Bestandsaufnahmen wie „Europe Is Lost“ erst richtig. +++ Auf „Ruins“ – Album Nummer 4 der britischen Folk-Prog-Band Wolf People – treffen E-Gitarren im Stahlwerk auf Klampfen im Phantasialand. Eine musikalische Melange, die sowohl auf dem Mittelaltermarkt als auch in der großstädtischen Rockfabrik funktioniert. Dabei macht Jack Sharps zerbrechlicher Elfengesang immer dann Platz, wenn die Gitarren und Drums besonders ruppig werden. In jedem Ton intellektuelle Musik, die den morgendlichen Tau auf den Gräsern wegbläst. +++ Während “Sechs Kronen” von 2014 noch ein astreines Boombap-Feuerwerk mit dem einen oder anderen Späßchen war, breitet Alles-oder-Nix-Records-Member Kalim auf dem Nachfolgealbum „Odyssee 579“ graue Wolken über Hamburg-Harburg aus. Statt einer Glorifizierung des Hollywood-Gangster-Lifestyles, fesselt der Norddeutsche auf den 12 Anspielpunkten mit einer so dichten und einnehmenden Atmosphäre, dass man vom Leben zwischen Raub und Mord zwar fasziniert aber mindestens genauso abgestoßen ist. Der Sound ist beklemmend und düster, öffnet sich während der kompletten Spielzeit nur, wenn Gäste wie Trettmann oder Chefket vorbeischauen. „Odyssee 579“ ist das wohl erwachsenste Straßen-Rap-Album des Jahres.

 

Turnstile “Move Thru Me”

Schon etwas länger auf dem Markt ist „Hope“ von der kanadischen Folkpopband The Strumbellas. Das Album beinhaltet elf simple aber mitreißende Stücke, die wahlweise für einsame Cowboys oder fürs Mitsingen auf langen Autobahnfahrten geschrieben wurden. „Spirits“ und „We Don’t Know“ gehen direkt nach vorne, während sich „I Still Make Her Cry“ tief in traurigen Emotionen vergräbt. Das alles ist keine musikalische Raketenwissenschaft, dafür aber ehrliche Ohrwurmmucke. +++ „Essahdamus“ – das neue Mixtape/Album von Kool Savas – klingt auf dem Papier wie die ultimative Veröffentlichung: Leidenschaftlicher Battle-Rap trifft auf Konzeptsongs über Fußfetische und Lebensläufe. Dazu gibt es Kollaborationen mit den jungen Wilden (KC Rebell, PA Sports, Vega), alten Weggefährten (MOR, Azad, Olli Banjo) und Musikern, mit denen man möglicherweise nicht gerechnet hätte (Gentleman, sido, Samy Deluxe). Savas‘ Flow ist dabei über jeden Zweifel erhaben und besticht von Song zu Song durch Variationen und Spielereien. Trotzdem ist das Gehörte schnell langweilig, denn bei all dem Perfektionismus fehlt ein wenig Kante. +++ Auf ihrer zehnminütigen 4-Track-EP „Move Thru Me“ knüppelt die aus Baltimore stammende Hardcore-Punkband Turnstile ein musikalisches Zirkeltraining runter, das nur allein durchs Zuhörern Kondition und Muskeln aufbauen kann. Dabei öffnet sich die Gruppe trotz des nicht unbedingt massentauglichen Genres der Masse, indem beispielsweise bei „Fuck Me Blind“ auf weibliche Gesangsunterstützung gebaut wird. +++ Und natürlich gab es auch wieder was für Umme: Unter anderem haben sich Soulja Boy & Bow Wow zusammengetan, um „Ignorant Shit“ rauszuhauen. Ein Mixtape, das in den Zeitgeist passt und – man traut es sich bei der Konstellation gar nicht zu sagen – richtig abgeht. Mit „Power Re-Up! (Lost Tapes)“ gibt Kaas noch einmal vier Kostproben, die im Rahmen seiner EP „In Jamaica“ entstanden sind. Wer die mochte, wird auch hieran Freude haben.

 

West Coast

Die französische Komödie West Coast ist ein ganz spezieller Film, der bei Menschen, die mit der Thematik überhaupt nichts anfangen können, auf wenig Gegenliebe stoßen wird. In Benjamin Weils Regie-Debüt planen vier leidenschaftliche Gangsta-Rap-Fans einen Rachefeldzug an ihren Schulkameraden, der gehörig schiefläuft. Der Film ist erzählerisch ziemlich dämlich, da das Verhalten der Protagonisten nicht immer nachvollziehbar bis unberechenbar wirkt. Hinzu kommt eine deutschsprachige Synchronisation, die wie schnell drüber geklatscht klingt. Dennoch ist der gerade einmal 80-minütige Film eine kurzweilige Angelegenheit für zwischendurch mit drei, vier wirklichen Lachern, einem herrlichen Szenario und einem Soundtrack, der direkt aus „Menace 2 Society“ stammen könnte. +++ Mascots ist eine 90-minütige Mockumentary, in der zwanzig Sportteam-Maskottchen für einen Wettbewerb zusammenkommen, der ermitteln soll, welcher kostümierte Anheizer der Beste seiner Zunft ist. Von den Netflix-Usern eher mittelmäßig aufgenommen, funktioniert auch für mich nur jeder zweite Gag. Schade, denn von Regisseur Christopher Guest, der bereits mit „This Is Spinal Tap“ ein Händchen für gut gemachte fiktionale Dokumentationen zeigte, hätte ich durchaus mehr erwartet. +++ Bereits vor einem Jahr lief die erste Staffel der britischen Comedy-Serie Chewing Gum auf E4. Dank Netflix ist es nun auch deutschen Freunden etwas abseitigerem Humors möglich, die sechs rund 25-minütigen Folgen zu schauen. Michaela Coel, die die Serie geschrieben und erdacht hat, spielt die 24-jährige Supermarktangestellte Tracey Gordon, welche unbedingt ihre Jungfräulichkeit verlieren möchte. Da sie damit nicht nur spät dran ist, sondern auch durch ein hochreligiöses Umfeld geprägt wurde, fällt das eher unbeholfen und damit häufig urkomisch aus. Die Serie lebt von ihrer sympathischen Protagonistin, fährt aber auch eine Riege charismatischer Nebendarsteller auf, die zusammen mit der übertrieben bunten Optik einen herrlich eigenen Charme entwickelt.

 

Mafia III

Es ist sehr löblich von Electronic Arts, nach den enttäuschenden Verkäufen von „Mirror’s Edge“ acht Jahre später dennoch einen Nachfolger zum Parcours-Action-Adventure zu veröffentlichen. Leider ist Mirror’s Edge Catalyst nur ein mittelmäßiges Spiel geworden, das Elemente nutzt, die sichtlich veraltet sind. Außerhalb der Cut-Scenes sehen die Figuren wie aus der PlayStation-3-Ära aus, Auftraggeber stehen die ganze Zeit dumm in der Gegend herum, wenn man sie anspricht muss die Nebenmission aber ruckzuck erledigt werden. Eine so leere und ereignislose Open World ist drei Jahre nach „GTA V“ eine schiere Frechheit. Zum Glück macht das eigentliche Parcours-Gameplay Spaß und wird von einem futuristisch-melancholischen Soundtrack unterstrichen. So treibt es einen dann doch durch die knapp neunstündige Kampagne. +++ Kann man ein Spiel empfehlen, das auf der einen Seite ganz hervorragenden ist, auf der anderen aber völlig versagt? In Mafia III spielen wir Lincoln Clay, einen Rückkehrer aus dem Vietnamkrieg, der bei der afroamerikanischen Mafia Unterschlupf findet. Leider bringt diese die mächtige Marcano-Familie gegen sich auf, wodurch es zu einem blutigen Anschlag kommt, bei dem Lincolns „Ersatzfamilie“ komplett ausgelöscht wird. Was folgt ist eine großartig inszenierte Rachegeschichte, die durch Cutscenes im Doku-Stil unterbrochen wird. Als Halbdominikaner und Halbitaliener ist unsere Spielfigur immer wieder rassistischen Anfeindungen ausgesetzt, was beim Spielen durchaus Unbehagen bereitet und möglicherweise auch Menschen, die damit im echten Leben wenig Erfahrungen machen mussten, aufzeigt, wie furchtbar Fremdenfeindlichkeit ist. Leider können die spielerischen Inhalte da nicht mithalten. Statt ausgefuchster Aufträge müssen wir die immer gleichen To-Do-Listen à la „töte den, zerstöre das oder besuche die“ abhaken. Das ist auf Dauer nicht nur öde, es macht einen regelrecht sauer, dass Hangar 13 im Jahre 2016 ein Open-World-Spiel mit derartigen Missionsdesigns herausbringt. Lohnt sich wirklich nur für Leute, die nach Teil 1 und 2 nicht plötzlich mit der „Mafia“-Reihe abschließen möchten.

 

Nils Oskamp “Drei Steine”

Mit „Drei Steine“ hat Nils Oskamp eine berührende autobiographische Graphic Novel geschrieben und gezeichnet, in deren Fokus die rechte Szene Dortmunds steht. Oskamp verarbeitet darin zwei Mordanschläge, denen er als Jugendlicher entgangen ist, sowie die darauffolgende enttäuschende Auseinandersetzung mit Polizei, Lehrern und Eltern. Erzählerisch wechselt er zwischen Gegenwart und Vergangenheit, um zu zeigen, dass es sich lohnt, für die gute Sache zu kämpfen. Am Ende der eigentlichen Story hat Alice Lanzke von der Amadeu Antonio Stiftung auf 16 Seiten die traurige Geschichte der Dortmunder Nazi-Szene zusammengefasst und damit die Dringlichkeit, etwas gegen die rechte Pest zu unternehmen, noch einmal deutlich gemacht. Eine wichtige Veröffentlichung, die nicht nur aufweckt, sondern auch Mut macht. +++ Autor James Tynion IV und Zeichner Freddie E. Williams II bringen zwei Welten zusammen, die eigentlich nicht zusammengehören. Ihre sechsteilige Miniserie Batman/Teenage Mutant Ninja Turtles vereint den Dunklen Ritter mit New Yorks Ninja-Schildkröten und erzählt dabei eine Geschichte, in der es Leo, Raph, Mickey und Donnie nach Gotham City verschlägt. Natürlich haben die vier auch Shredder im Gepäck, der sich wiederum mit Batmans Erzfeinden verbündet. Wer erwartet, mit dieser Veröffentlichung das nächste unverzichtbare Kapitel im Kanon der beiden Universen geliefert zu bekommen, wird enttäuscht. „Batman/TMNT“ ist durch und durch Fanservice, der Spaß machen möchte, erzählerisch aber auf der Stelle tritt und so schnell wieder vergessen wird, wie er gelesen wurde. +++ Der Midnighter schickt sich dagegen an, meine neue Lieblingsfigur im DC-Universum zu werden. Dank eines Computerhirns, das die Bewegung seiner Gegner vorberechnen kann, und der Fähigkeit, Teleportationstüren aufzustellen, ist er schier unbesiegbar. Im vor kurzem erschienenen 268-seitigen Megaband „Gnadenlos“ versuchen es Harley Quinn und ihr Suicide Squad dennoch. Midnighter geht im Kampf brutal vor, bricht mit homophoben Klischees und lässt sich nicht in ein Schwarzweißmuster pressen.

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