Review: Gilmore Girls – Ein neues Jahr

Die „Gilmore Girls“ sind zurück und erhalten mit der Netflix-Miniserie „Ein neues Jahr“ ein großes Revival. Leider zeigen die vier Episoden noch einmal eindrucksvoll, dass die Serienmacher das mit dem Serienmachen nicht wirklich draufhaben.

 

Anfang 2014 habe ich alle sieben Staffeln der „Gilmore Girls“ nachgeholt. Schrieb bereits nach der ersten Staffel fast schon entschuldigend, weshalb ich begann, mich in die Serie zu verlieben. Monate später flimmerte die finale Episode über den Bildschirm und die anfängliche Begeisterung war längst verflogen. Trotzdem hatte ich gerade in den ersten 30 Folgen Spaß an der Mutter-Tochter-Beziehung zwischen Lorelai und Rory Gilmore. Das Gründen einer eigenen Existenz, die erste große Teenager-Liebe, das Emanzipieren vom Elternhaus – das alles war Coming-Of-Age in Reinkultur und gutgemacht ist das aus meiner Sicht immer fesselnd. Als Netflix zu Beginn des Jahres eine Rückkehr der „Gilmore Girls“ ankündigte, kam in mir durchaus Freude über die bevorstehende Rückkehr nach Stars Hollow auf. All die dämlichen und sich ständig im Kreis drehenden Streitgespräche zwischen Lorelai und Emily, inhaltliche Logikfehler und nervtötende Charaktere waren vergessen.

 

Fremdgehen wird zum Running-Gag

 

Am 25. November stellte der Streaming-Dienst die komplette Miniserie „Gilmore Girls: A Year in the Life“ zur Verfügung. Vier 90-minütige Filme, die jeweils nach einer Jahreszeit benannt wurden und damit ein Jahr im Leben der Gilmore Girls abdecken. Die Serienerfinder Amy Sherman-Palladino und Daniel Palladino führten Regie und schrieben auch die Drehbücher. Da sie an der finalen Staffel 7 nicht mehr beteiligt waren, gab ihnen dieses Revival die Möglichkeit, die Serie nun so zu beenden, wie sie es ursprünglich im Sinn hatten. Viel schien das aber leider nicht gewesen zu sein, denn die sechs Stunden „Gilmore Girls“ fühlen sich wie dahinplätschernder Nonsens an, der ausschließlich entstanden ist, um Fan-Service zu betreiben. Rorys Karrierepläne kamen nicht wie erhofft ins Rollen, weshalb sie vorübergehend wieder nach Stars Hollows zurückkehrt. Ihre Mutter Lorelai hat sich währenddessen mit Luke arrangiert, mit dem sie – losgelöst von ihrer Tochter – einen funktionierenden Alltag führt. Rorys Rückkehr bringt entsprechend jede Menge Trubel mit sich.

 

Aus dieser Prämisse lässt sich doch etwas machen, müsste man meinen. Denn die Probleme der Millennials rund um immer größer werdende Zukunftssorgen und die gleichzeitige Suche nach einem erfüllenden Job sind durchaus brandaktuell. Blöd nur, dass Amy Sherman-Palladino und Daniel Palladino es nicht auf die Kette kriegen, eine Protagonistin zu schaffen, der man nicht in jeder Szene Armut und Liebespech wünscht. Rory soll wie eine unglücklich Gescheiterte wirken, die sich durch eine Aneinanderreihung vieler Missgeschicke in eine Sackgasse manövriert hat. Leider macht die Serie daraus nichts. Auf der einen Seite ist sie die Prinzessin von Stars Hollow, die als Maßstab für den perfekten und liebenswerten Menschen gilt, auf der anderen Seite betrügt sie, ist sie verzogen und suhlt sich in Selbstmitleid, obwohl es ihr eigentlich perfekt geht. Rory Gilmore reicht eben nicht der Job bei einer Regionalzeitung, für Rory Gilmore muss es pulitzerpreisverdächtig werden. Da passt es nur zu gut ins Bild, dass sie – verkauft als ach so lustigen Running-Gag – stets das Schlussmachen mit ihrem armen festen Freund vergisst. So geht Frau Gilmore also mit den Gefühlen anderer Menschen um und ich soll ihr als Zuschauer trotzdem Lebensglück wünschen?

 

Vorhersehbare Entwicklungen und inhaltliches Auf-der-Stelle-treten

 

Das Problem mit dieser Figur ist jedoch nicht die Tatsache, dass sie diese Charaktereigenschaften besitzt, sondern dass die Macher der Serie nicht in der Lage sind, diese Eigenschaften so zu verkaufen, dass wir Rory als tragende Figur trotzdem gerne zuschauen. Jede Szene mit Engelchen Rory, in der ihr wieder einmal entfällt, dass sie – gesponsert von Oma und Opa – auf Eliteschulen und Unis war, finanziert von Logan wöchentlich rund um den Globus jetten kann und Menschen, die nicht ihrem Anspruch ans Leben genügen (Stichwort Gazette-Kollegen und die Dreißigjährigen, die noch in Stars Hollow leben), schlechter behandeln darf, macht mich stinksauer. Doch auch unabhängig davon erzählt „Gilmore Girls: Ein neues Jahr“ keine packende Geschichte, die man an einem Sonntagnachmittag wegbingen möchte. Stattdessen gibt vorhersehbare Entwicklungen und inhaltliches Auf-der-Stelle-treten.

 

Bietet sich ja super an, dass die Stars Hollow Gazette gerade dann aus Mangel an einem Chefredakteur eingestellt werden soll, wenn die gelernte Journalistin Rory Gilmore arbeitslos heimkehrt. Damit macht diese Zeitung die wohl größte Veränderung der Serie durch. Andere Figuren haben dieses Glück nicht, denn sie dürfen ohne sichtliche Weiterentwicklung auf dem gleichen Status wie 2007 agieren. Bestes Beispiel ist hierfür wohl Rorys Freundin Lane, die immer noch das gleiche Leben inklusive Schulband führt wie vor zehn Jahren. Vollblutfanatiker werden damit argumentieren, dass sie eben genau das sehen wollten: Das alte Stars Hollow samt seiner verschrobenen Charaktere. Verstehe ich, dafür bekommt ihr aber auch Spaßfiguren wie Kirk, Taylor oder Gypsy, die immer noch das machen, was sie immer taten. Eine Lane hatte in der Hauptserie eine ganz andere Bedeutung, fing an ihr Leben gegen den Wunsch ihrer Mutter nach eigenen Vorstellungen zu gestalten und war damit ein wichtiger Gegenentwurf zu Rory Gilmore. Jetzt reiht sie sich bei den gerade genannten Spaßvögeln der Stadt ein.

 

Dafür, dass die Macher nicht wussten, was sie tun sollen, ist die nicht enden wollende Musical-Szene in Folge 3 exemplarisch. Sie ist zugegebenermaßen lustig, aber dafür, dass sie nichts zum Vorankommen der Geschichte beiträgt, ist sie viel zu lang. Ständig wird dem Zuschauer ein vermeintlich leckeres Häppchen vor die Füße geworfen, das im besten Falle noch als Stichwortgeber für die nächste flache Plotschiene dient, im Regelfall aber völlig egal ist. Ein Schaulaufen alter Cast-Mitglieder rund um Melissa McCarthy, Milo Ventimiglia und Jared Padalecki kann noch als notwendiges Fan-Übel verkraftet werden, hätte aber deutlich eleganter in die Geschichte einfließen können. Es ist schade, aber „Gilmore Girls: Ein neues Jahr“ lohnt sich ausschließlich für Fans der Serie, die hier noch einmal daran erinnert werden möchten, dass ihre einstige Lieblingsserie gar nicht so gut war.

 

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