Wiebke Colmorgen singt plattdeutsche Lieder fürs ganze Land

Wiebke Colmorgen

Wiebke Colmorgen serviert auf ihrem neuen Album plattdeutsche Lieder. // Foto: Kathrin Brunnhofer

Der Titel „Plattplatte“ verrät, was die Hörer_innen bekommen: plattdeutsche Musik. like it is ’93 hat mit Sängerin Wiebke Colmorgen über ihr neues Album gesprochen.

 

Platt ist keine tote Sprache. Eine, die die Fahne für das Niederdeutsche hochhält, ist Wiebke Colmorgen. 1974 kam sie zur Welt, verbrachte ihre ersten Jahre auf einem Bauernhof in Schleswig-Holstein und zog dann nach Hamburg. Heute nimmt sie Musik auf, spricht die Nachrichten im Radio und veröffentlicht Bücher – alles auf Plattdeutsch. Im November erscheint ihr neues Album „Plattplatte“. Im Interview mit like it is ’93 verrät Colmorgen, warum auch Süddeutsche Spaß an Platt haben können.

 

Frau Colmorgen, 2018 haben Sie mit dem Musiker Hardy Kayser ein plattdeutsches Liederbuch mit Musik-CD für Kinder herausgebracht – “Plattkinner”. Wieso veröffentlichen Sie mit der “Plattplatte” nun ein Album für Erwachsene?
Die “Plattplatte” richtet sich sogar vornehmlich an Senioren. Viele ältere Menschen fanden “Plattkinner” ganz toll, obwohl es Songs für Kinder sind. Die Musik bereitet ihnen trotzdem einfach Freude, deshalb haben wir ein paar Klassiker für sie neu aufgenommen. Wir wollen diese alten Lieder, die sie lieben, wieder lebendig werden lassen. Und wir haben auch ein paar neue Songs für sie geschrieben.

 

Sie covern unter anderem den Klassiker “An de Eck steiht’n Jung mit’n Tüdelband”. In den vergangenen Jahren haben das bereits Anna Depenbusch, Axel Prahl, Ina Müller oder die Grenzgänger getan. Was ist ihr Kniff?
Jeder fügt etwas Individuelles hinzu. Bei uns klingt das Lied ein bisschen nach Country und Hawaii. Gesungen ist es wie ein Chanson. So eine Version habe ich noch nicht gehört.

 

“Verstockt sind für mich eher die Leute, die denken, wer Platt nicht zu 100 Prozent kann, soll es lassen.”

 

Sie und Ihr musikalischer Partner Hardy Kayser nutzen weltumspannende Elemente aus Rock, Folk, Rap und Pop. Damit kontrastieren Sie das Regionale des Plattdeutschen. Eine bewusste Entscheidung?
Nein, das kommt einfach so. Das ist ein kreativer Prozess. Ich schreibe die Texte und singe, Hardy macht die Musik. Da haben wir eine klare Arbeitsteilung. Wobei wir das bei der “Plattplatte” ein bisschen aufgebrochen haben. Da hat er bei einem Song mitgetextet und auch vermehrt gesungen.

 

Er ist zum Beispiel im Background von “Dat is as dat is” zu hören, richtig?
Ja, er hat aber auch zwei Lead-Vocals. “Lütt Matten” hat ihm seine Mama beigebracht, als er vier war. Es freut mich total, dass er das jetzt singt. Und “Bregenklöterig” singt er im Duett mit seiner Tochter Clara. Ganz bezaubernd.

 

Im Pressetext heißt es: “Das generationsübergreifende Weihnachtsgeschenk und zwar nicht nur für Plattschnacker.” Weshalb sollte das Album bei einer Familie in Süddeutschland unter dem Christbaum liegen?
Als Kind habe ich “Pumuckl” auf dem Bayerischen Rundfunk geguckt und fand den Dialekt immer herrlich. Ich würde mir allein deshalb schon eine bayerische Platte kaufen, wenn sie schön gemacht ist. Und genauso kann man als Bayer Lust darauf haben, norddeutsche Liedkultur zu hören. Wir hören doch auch spanische und französische Musik, obwohl wir nicht alles verstehen.

 

Es gibt Beispiele wie BAP, die mit Mundart bundesweit erfolgreich sind.
Total toll. Ich verstehe bei BAPs “Verdamp lang her” auch nicht alles. Das Gefühl, das herüberkommt, das verstehe ich aber. Ich möchte nicht nur in dieser plattdeutschen Schublade liegen. Ich möchte Menschen zeigen, die sich vorher nicht mit der Sprache auseinandergesetzt haben, wie schön sie ist – und wie schön sie klingt.

 

“Wir hören doch auch spanische und französische Musik, obwohl wir nicht alles verstehen.”

 

Tatsächlich gibt es um plattdeutsche Musik einen Hype. Viele junge Künstlerinnen und Künstler bringen Alben heraus. Mit “Plattbeats” existiert sogar ein populärer Musik-Wettbewerb zum Thema…
Finde ich gut. Es gibt viele tolle Menschen, die sich sehr für die Sprache einsetzen. Richtige Plattaktivisten- Manchmal denke ich zwar, dass das nicht immer meine Tasse Tee ist. Heavy Metal auf Platt würde ich zum Beispiel nicht aufnehmen, finde es aber gut, wenn es von anderen gemacht wird. So bleibt die Sprache am Leben und die Welt bunt. Ich selbst mag ja eher die alten Originale. Heidi Kabel und Henry Vahl finde ich bezaubernd. Und ich liebe Chansons.

 

 

Plattaktivismus? Wie verstockt kann man eigentlich sein?
Verstockt sind für mich eher die Leute, die denken, wer Platt nicht zu 100 Prozent kann, soll es lassen. Das ist das Todesurteil für die Sprache. Wie sollen junge Menschen das sonst lernen? Die von mir erwähnten Plattaktivisten setzen sich dafür ein, dass junge Menschen sich an Platt rantrauen. Ich finde es toll, wenn es Leute gibt, die sich die Sprache an der Volkshochschule beibringen lassen. Das hört sich zu Beginn natürlich drollig an. Aber so ist das ja bei kleinen Kindern auch, wenn sie anfangen zu sprechen.

 

Auf ihren Konzerten darf man also ohne ausgeprägte Sprachkenntnisse lauthals mitsingen?
Ja klar, mich würde das total freuen.

 

Konnten die Kinder, die auf “Plattkinner” mitsingen, bereits vor dem Projekt Plattdeutsch?
Kein Wort, Musik ist aber das beste Medium, um Sprachen zu lernen. So habe ich mir Englisch beigebracht. Als Kind habe ich Lieder von Depeche Mode gehört und versucht sie zu übersetzen. Das ist bei den Kindern genauso. Sie haben die Texte immer wieder gehört und sich so selbst beigebracht.

 

Kann man auf Platt Dinge sagen, für die man auf Hochdeutsch böse angeguckt wird?
Wenn ich zu Ihnen “Dummkopf” sage, würden Sie mir das sicherlich übel nehmen. Wenn ich aber “so’n Dösbaddel” sage, klingt das nicht so schlimm, oder?

 

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