Review: Trettmann – #DIY
Zum Gedenken an verstorbene Freunde schüttet Trettmann literweise Alkohol auf den Beton. „#DIY“ ist trotzdem so hoffnungsvoll wie düster und bleibt dank musikalischer Großtaten im Kopf hängen wie eine Flasche Hustensaft.
“Nur noch mit der Fam, brauch’ keine Helfer / die Welt arschkalt, wird immer kälter“, begrüßt Trettmann seine Hörer im Intro von „#DIY“. Damit stimmt er auf das ein, was innerhalb der rund 37 Minuten Spielzeit passiert. Ein größtenteils düsterer Sound, zu dem die Cap ganz tief ins Gesicht gezogen werden kann. Denn auch wenn in der feierwütigen Nacht von Freitag auf Samstag alles gut ist, die restlichen Tage der Woche muss jeder sehen, wo er bleibt: „Nur noch mit der Fam, helfen uns selber / Tretti ist der Don, machen alles selber“.
Das im Vorfeld durch Juice CD und Musikvideo die Runde machende „Grauer Beton“ ist das beste Beispiel für Trettmanns trübe Seite. „Lieber schnell leben, ruhelos / statt Abstellgleis, kein Zielbahnhof“, beschreibt er die Perspektivlosigkeit seines Umfeldes und die daraus resultierenden, nicht immer richtigen Lebensentscheidungen. Die Welt funktioniert nicht nach Schwarzweißmustern. Es gibt auch dunkel- und hellgrau. Fast jeder Mensch strebt nach innerem Frieden und Sicherheit, doch nicht jeder bekommt diesen Wunsch erfüllt. Unter anderem für diejenigen macht Trettmann auf „#DIY“ Musik.
Sich selbst aus der Scheiße manövrieren
„#DIY“ – kurz für „Do it yourself“ – beschreibt nicht nur die Herangehensweise an das Projekt, sondern auch den tieferen Sinn der Inhalte. Das Motto lautet, sich selbst aus der Scheiße zu manövrieren, denn jemand anderes wird es nicht tun. „Gar nicht lange her, noch vor paar Jahr’n / flogen wir noch unter dem Radar“, resümiert Trettmann auf „Knöcheltief“, um ein paar Zeilen weiter sein neues Selbstbewusstsein nach außen zu tragen: „Neuer Tag, neues Glück, neues Level / stell’ mein Licht unter keinen Scheffel“. Zeitgeistige Features von Gzuz, Bonez MC, RAF Camora, Haiyti, Joey Bargeld und Marteria unterstreichen, dass das keine Floskel ist.
Doch die Stärken liegen nicht in den Songs, die den aktuellen Goldstatus besingen. „#DIY“ ist dann am stärksten, wenn die Schattenseiten des Lebens beschrieben werden. „Dein Telefon, es klingelt, irgendwer ruft an / Sonne scheint, blauer Himmel, doch du gehst nicht ran“, singt der 44-jährige Wahl-Leipziger auf „Geh ran“, das einem durch Selbstmord gestorbenen Freund gewidmet ist. Der minimalistische Beat untermauert das bedrückende Gefühl, dass das tonnenschwere Thema mit sich bringt. Da wirken Stücke wie „New York“, das von einer schwierigen Beziehung erzählt, fast schon bekömmlich.
Zwischen Plattenbau und dem Märchen vom Aufschwung Ost
Trettmann hat „#DIY“ in Eigenregie auf die Beine gestellt. Das bekommt dem Projekt, denn es ist von der ersten bis zur letzten Sekunde, vom Artwork bis zu den Musikvideos, ein zusammenhängendes Werk, das den Hörer in eine eigene Welt saugt. Zwischen Plattenbau und dem Märchen vom Aufschwung Ost erzählt es die Geschichten, die endlich erzählt werden müssen. „#DIY“ bleibt dabei nicht sofort im Kopf hängen, wächst jedoch von Hördurchgang zu Hördurchgang, bis es aus dem Schädel nicht mehr wegzukriegen ist.
Wer beim Namen Trettmann zurückschreckt und erst einmal an den sächselnden Reggae-Künstler aus Obergräfenhain oder den Autotune-Guru denkt, sollte ihm noch eine Chance geben. Denn das Sächsische ist auf „#DIY“ kein albernes Gimmick mehr und der Stimmenverzerrer wird zurückhaltend eingesetzt. Im Vordergrund steht nicht der Effekt, sondern gute Musik, die sich durch ausgefuchste Texte und zum jeweiligen Thema passende Beats definiert.
Das beste ,was ich seit langem gehört hab.So tiefsinnig u.ehrlich…er spricht mir aus der Seele.Danke
Sehr gerne!
Es ist aber auch ein starkes Album!
Das Beste,was ich seit langem gehört hab. So tiefgründig u.ehrlich…er spricht mir aus der Seele.Danke