Review: Marteria – Roswell

“Roswell” erschien am 26. Mai

“Aus Area 51 wird Marteria 51, aus Roswell wird Rostock”, heißt es zu Beginn von Marterias neustem Werk „Roswell“. In Kombination mit dem Spielfilm „Antimarteria“ ergibt das ein übergeordnetes Konzept, das seinem achten Soloalbum trotzdem kein Korsett aufzwingt.

 

„Roswell“ ist kein waschechtes Konzeptalbum, fühlt sich aber wie eines an. Denn mit dem Titelsong und dem letzten Stück „Elfenbein“ umgibt die Platte eine inhaltliche Klammer, die erst in Kombination mit dem Film „Antimarteria“ Sinn macht. Dabei ist das, was in der Klammer passiert, völlig losgelöst von einem Themenkorsett. Mit „Blue Marlin“ fällt gerade das Herzstück von „Roswell“ aus dem Rahmen. Der leidenschaftliche Angler Marteria ließ sich von Ernest Hemingways Novelle „Der alte Mann und das Meer“ inspirieren und schuf einen Song, der sowohl textlich als auch musikalisch gängige Rap-Strukturen bricht. Mit diesem Meisterwerk im Hinterkopf ließ er anschließend in keinem Interview das Thema Angeln aus.

 

Unverkrampft und auf den Punkt gebracht

 

Dieser Einfallsreichtum wirkt sich auf alle Lieder des Albums aus. Für einen Musiker, der komplette Platten ausschließlich mit Themensongs füllt, ist das erfolgsentscheidend. Dennoch: Kaum ein Rapper in Deutschland schafft es, Konzeptstücke so unverkrampft auf den Punkt zu bringen. Statt peinlicher Zweckreime gibt es einen ganz natürlichen Textfluss. Marteria rappt sich vom Diktat des Geldes frei („Das Geld muss weg“), entflieht dem Wahnsinn der Welt („Scotty beam mich hoch“) und spricht sich gegen Wichtigmacher aus („El Presidente“).

 

Aber es sind nicht die Songs mit den universellen Themen, die gerade in Kombination mit den hitverdächtigen Refrains wie für das Formatradio gemacht klingen, sondern die Stücke, die dem Hörer etwas mehr erzählen möchten. „Blue Marlin“ ist ein bereits genanntes Beispiel. Aber auch „Skyline mit zwei Türmen“ muss an dieser Stelle erwähnt werden. Marteria bereitet darin seine Zeit als Jugendlicher in New York auf. Der Song bietet mit Verweisen und Scratches nicht nur den größten HipHop-Moment der Platte, der Text erzeugt außerdem ein Kopfkino, als wäre man damals dabei gewesen.

 

Nicht mehr so überraschend wie früher

 

Wie schon bei “Zum Glück in die Zukunft 1 + 2” hat das Produzententrio The Krauts den kompletten Job erledigt. Hochwertig produziert, aber nicht mehr so überraschend wie bei den Vorgängern, ergibt sich daraus ein kohärentes Soundbild. Diesem ist anzuhören, dass es nicht unter der Aufsicht von einem Dutzend Produzenten entstanden ist. Unterschiedliche Ansätze gibt es auf der musikalischen Seite dennoch. Für einen HipHop-Song klassisch gesetzte Kicks und Snares klatschen den Sommer herbei („Cadillac“), die Wucht einer ganzen Band wird mit dem Synthesizer erzeugt („Links“) und eine indische Sitar darf auch mal ran („El Presidente“).

 

Für Marteria waren Beats nie bloß Unterlagen, auf denen er scheinen wollte. Die Instrumentale sind wichtige Bestandteile seiner Musik, die sich nicht aufdrängen, sondern in Kombination mit den Raps ein durchdachtes Ganzes ergeben. „Roswell“ ist da keine Ausnahme. Am Ende bekommen Marteria-Fans das, was sie von Marteria erwarten. Und wenn der Rostocker an der Seite von Yasha und Miss Platnum das Album beendet, weiß auch der letzte Zweifler, dass die Marteria-Formel ein weiteres Mal aufgegangen ist.

 

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