Mein USA-Tagebuch: Hollywood (Teil 7)
Im September 2016 bin ich drei Wochen durch die USA gereist: Burlingame, San Francisco, Santa Cruz, Monterey, Pismo Beach, Los Angeles, Hawaii, New York. In meinem USA-Tagebuch erzähle und zeige ich euch, was ich alles erlebt habe. Von Segnungen in hawaiianischen Sandwichläden bis zu 163-Dollar-Rechnungen in New Yorker Sportkneipen lasse ich nichts aus – jeden Samstag gibt es eine neue Ausgabe meines USA-Reiseberichts!
Zur Mittagszeit kam ich mit meinem Mietwagen auf dem Sunset Boulevard an. Und hier gilt die gleiche Regel wie in jeder anderen Großstadt: Parkmöglichkeiten sind rar und teuer. Da der öffentliche Nahverkehr in Los Angeles – bestehend aus einer einsamen U-Bahn-Linie – ein Graus ist, blieb mir jedoch nichts Anderes übrig, als auf Parkplatzsuche zu gehen. Für den Abend hatte ich Konzertkarten im legendären Rockclub Whisky A Go Go, weshalb ich zum Glück die bewachten Stellplätze des Ladens nutzen konnte. Leider war ich mit den Gepflogenheiten nicht wirklich vertraut und weigerte mich, dem Parkplatzwächter meinen Autoschlüssel auszuhändigen. Ein gewisses Maß an Grundmisstrauen muss sein. Auch im Urlaub. Er war verwirrt, ich kam mir dumm vor – ein Deutscher in Hollywood funktioniert halt nicht. Fragt doch mal die Teilnehmer von Til Schweigers Casting-Show „Mission Hollywood“. Mit 15 Dollar empfand ich die Parkgebühr als erstaunlich niedrig und lief gutgelaunt los. 35 Kilometer ist der Sunset Boulevard lang, was ich zu Fuß überprüfen wollte. Die leeren Gehwege hätten jedoch Warnung genug sein sollen. In Los Angeles läuft man nicht. Erst recht nicht an einem so furchtbar heißen Septembertag.
Bereits nach wenigen gelaufenen Metern wollte mir ein Straßenverkäufer eine Star Map mit eingezeichneten Adressen berühmter Anwohner verkaufen. Rihanna warf er als Verkaufsargument ein. Die Aussicht auf den Anblick der sonnenbadenden Schönheit aus Barbados ließ mich kurz darüber nachdenken, der genannte Preis von 20 Dollar zerstörte jedoch jeden Wunsch nach einer seiner Karten. Zum Glück, denn später sollte ich erfahren, dass die gleichen Karten an entsprechenden Automaten für nur fünf Dollar zu haben sind. So ein verdammtes Schlitzohr. Während ich an hippen Buchläden, Galerien und Cafés vorbeispazierte, stellte ich fest, dass die Leute in Hollywood nicht anders aussehen als die Menschen in der Osnabrücker Innenstadt. Die vielen Obdachlosen, die mitten auf Straßengrünstreifen ein Nickerchen hielten oder in runtergerockten Anzügen versuchten, am sozialen Leben teilzunehmen, kamen mir dagegen gegensätzlicher als ihre Kollegen in Deutschland vor, wo Wohnungslose leider deutlich ausgegliederter von der restlichen Gesellschaft ein Schattendasein fristen müssen. Elend und Reichtum liegen hier so nah beieinander wie die Buchstaben F und G im Alphabet. Und niemand scheint sich daran zu stören. Warum auch, denn dafür gibt’s fast überall kostenloses WLAN.
Essen ist in den Staaten stets präsent. Ein Restaurant reiht sich in Innenstädten ans nächste und gerade auf dem Sunset Boulevard sind es eher edlere Schuppen. Das ist nix für mich, auch wenn ich auf den Geschmack gekommen bin, Sir genannt zu werden. Der Fast-Food-Laden Veggie Grill genügte, denn im Herzen Hollywoods gab es noch viel zu entdecken, weshalb das Futtern schnell gehen musste. Beispielsweise den Comicbuchladen Meltdown, in dem ich neben einem netten Plausch mit einer der Verkäuferin auch ein Mystery-Bag für fünf Dollar mitnahm. Unter anderem wartete darin eine Originalausgabe der „Civil War“-Reihe auf mich. Den Weg zurück bestritt ich auf einer weiteren berühmten Straße L.A.s, die so anders ist als der Sunset Boulevard. Auf dem Hollywood Boulevard überforderte mich im Vergleich zum „Boulevard der Dämmerung“ die schiere Menge an Menschen und die daraus resultierende Lautstärke. Abtreibungsgegner trugen abstoßende Plakate mit toten Föten herum, religiöse Fanatiker predigten per Megafon von einer bevorstehenden Apokalypse, kostümierte Schauspieler buhlten um Fotos, die sie sich teuer bezahlen ließen, und Straßenverkäufer vertickten auf hitzige Art und Weise ihre Waren. Ich fiel auf den Rapper Black Nate Debiase herein, der mir eine seiner CDs verkaufte.
Wenn man zwölf Stunden auf den Beinen ist und nichts Anderes tut, als durch die pralle Sonne zu stiefeln, hat man irgendwann genug. Vor dem Konzert machte ich es mir also im Rock and Reilly’s Irish Pub gemütlich, trank zwei Bier und starte den Kellnerinnen, auf deren Hosen tatsächlich „Less staring, more drinking“ stand, auf den Arsch. Nicht. Anschließend ging es in den Club Whisky a Go Go, den Musiker wie Led Zeppelin, Alice Cooper und The Doors weltberühmt gemacht haben. Meine Begeisterung für den 1964 eröffneten Laden hielt sich jedoch in Grenzen. An Death By Stereo und der aus Compton stammenden Vorband DFL lag es nicht, da sowohl die Musiker als auch das Publikum trotz unangenehm hochgedrehter Klimaanlage ins Schwitzen kamen. Viel schlimmer war das Drumherum, das das Feiern nach „deutschen Verhältnisse“ unmöglich machte: Bierpreise, die bei sieben Dollar starteten, eine Deadline von 2 Uhr und ganz furchtbare Reservierungsregeln für bestimmte Bereiche des Ladens. So war es mir beispielsweise nicht erlaubt, die Bereiche, die mit einem roten Teppich ausgelegt waren, zu betreten. Tat ich dies doch, wurde ich von der Security verscheucht. Und obwohl wir es mit Musik des Genres Hardcore zu tun hatten, war Stage-Diving strikt verboten. Zwischen den Auftritten säuberte ein Angestellter den Bereich vor der Bühne sogar mit einem Besen – Rock’n’Roll halt.
Zum Glück ließ sich Death-By-Stereo-Frontmann Efrem Schulz davon nicht unterkriegen und peitschte das Publikum an, bis diese ein für L.A. typisches Erdbeben lostraten. Einen derartig aggressiven Mosh-Pit habe ich in Deutschland noch nicht erlebt. Die Security war sichtlich überfordert und vergaß für einen Moment den roten Teppich. Auf so exklusivem Boden verweilte ich während eines Hardcore-Punk-Konzertes wohl noch nie. Eine junge Dame, die direkt neben mir stand, hatte der Pit unglücklicherweise voll erwischt. Sie flog um und das Bier ihres Hintermannes ergoss sich komplett über ihr. Sie nahm es mit Fassung, lachte sogar darüber. Ich hatte dagegen genug, denn dieser Tag in Los Angeles, der bereits am Morgen mit Museumsbesuchen begann, hat mich fertiggemacht. Obwohl die Stadt der Engel nachts so gut wie ausgestorben ist, dauerte der Weg zurück ins Hotel mit dem Auto dennoch eine gute Dreiviertelstunde. Egal, buenas noches!
Galerie: Sunset- und Hollywood Boulevard
Im achten Teil geht es in den Aloha State, wo ich am Flughafen mit Hawaii-Hemd und Ukulele begrüßt werde, mich die hohe Luftfeuchtigkeit erschlägt und ich das erste Mal in meinem Leben in den Pazifik pinkle.
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