Review: Brother Ali – All the Beauty in This Whole Life

Brother Ali besingt auf seinem sechsten Album all das Schöne in diesem Leben. Auf eine inhaltliche Kuscheltour lädt der Rapper deshalb trotzdem nicht ein. Im Gegenteil.

 

Brother Alis letztes Studioalbum „Mourning in America and Dreaming in Color“ liegt zwar fünf Jahre zurück, die Füße hat er währenddessen aber nicht hochgelegt. Der Rapper aus dem Rhymesayers-Umfeld ist praktizierender Muslim, der sich aktiv für einen liberalen Islam einsetzt. Er beteiligt sich an Protesten für soziale Gerechtigkeit und nutzt seinen Status immer wieder, um auf Missstände hinzuweisen. Mitte 2017 fasste er unter anderem diese Erfahrungen in seinem sechsten Album „All the Beauty in This Whole Life“ zusammen. Doch Alis Leben ist viel zu ereignisreich, um sich thematisch nur mit den letzten fünf Jahren zu beschäftigen.

 

Zwischen Albinismus und „White Privilege“

 

Inhaltlich hält sich Ali dementsprechend nicht mit Oberflächlichkeiten auf. Schmerzhaft berichtet er in „Pray For Me“ von seiner gebeutelten Kindheit, in der er aufgrund seines Albinismus zum Außenseiter wurde. „A eight-year-old expert determined I’ve got AIDS”, beschreibt er schmerzhaft genau, mit welchen Äußerungen und Malträtierungen er zu kämpfen hatte. Doch nicht nur sein Privatleben macht der 40-Jährige zum Thema. Auf „Before They Called You White“ erklärt Ali, was „White Privilege” ist, um mit „The Bitten Apple“ einen Song später über den Schaden zu philosophieren, den Internetpornografie anrichten kann.

 

Alis Stärke liegt darin, Themen nicht in komplizierte Metaphern zu verpacken, sondern Sachverhalte konkret anzusprechen. Plump wirken seine Texte deshalb nicht. Sie klingen viel eher wie durchdachte Lehrstunden, die dank des Einstreuens persönlicher Erlebnisse größtenteils zeigefingerfrei ausfallen. Wie ein roter Faden zieht sich dabei Alis Glauben durch das Album. Dass er Gott für all das Schöne in seinem Leben dankt, wird unmissverständlich klar. Er gibt diesen Liebesbekundungen aber immer nur in Nuancen Platz, weshalb die Platte auch für Menschen hörbar ist, die sonntags lieber liegenbleiben.

 

Poppig bis zur Radiotauglichkeit

 

Ant – den HipHop-Liebhaber als die stille Hälfte von Atmosphere kennen – zeichnet sich für die Beats der 15 Stücke verantwortlich. Dabei zieht sich das warme – häufig von Piano-Loops getragene – Klangbild durch das komplette Album. Das geht fast immer ins Ohr, überrascht aber nicht mit Ausreißern in experimentellere Gefilde. Refrains auf Liedern wie „Special Effects“, „We Got This“ oder “It Ain’t Easy” sind poppig bis zur Radiotauglichkeit. Alis präziser Flow wird durch die immer gleichen Soundunterlagen kaum herausgefordert. Abgesehen vom Intro „Pen to Paper“ wagt er sich raptechnisch selten aus der Komfortzone.

 

„I’m a man, not a brand“, rappt Ali auf „Tremble“. Und das beschreibt das Gefühl am besten, das beim Hören des Albums entsteht. Schwächen, die im Laufe der guten Stunde Spielzeit durch den repetitiven und altmodischen Sound entstehen, werden mit inhaltlicher Vielseitig- und Ehrlichkeit wettgemacht. „All the Beauty in This Whole Life“ ist ein Album, wie es auch schon vor 15 Jahren hätte erscheinen können. Ali scheint das zu wissen, zieht sein Ding trotzdem durch. Denn das hier ist kein Modeding für ihn, sondern eine Herzensangelegenheit: „Put pen to paper the first time when I was barely eight or / Maybe nine that was the late eighties, Reagan time!”

 

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