Takeshi’s Castle: Spaßiges Zusammenprallen mit der Tür

Zwischen 1999 und 2001 gehörte der japanische Game-Show-Import „Takeshi’s Castle“ zum nachmittäglichen Pflichtprogramm. Ein Rückblick auf eine Sendung, die wohl das Verrückteste war, was man damals zwischen „Barbara Salesch“ und „Dragonball“ sehen konnte.

 

Das schrille Klingeln der Glocke erlöst aus der letzten Schulstunde des Tages, der Eastpak-Rucksack wird schnell mit Schlampermäppchen und Vesperbox vollgestopft und im Galopp geht es auf dem kürzesten Weg nach Hause: Denn gleich läuft „Takeshi’s Castle“! Zwischen 1999 und 2001 strahlte das DSF (heute Sport1) 120 Episoden der spektakulären japanischen Spielshow aus, in der rund 150 Teilnehmer versuchten, unter der Führung von General Hayati Tani das Schloss von Fürst Takeshi zu stürmen. Bevor die Teilnehmer jedoch die Chance dazu bekamen, mussten sie in mehreren Sport- und Geschicklichkeitsspielen, die die Spreu vom Weizen recht großzügig trennten, gegeneinander antreten. Das fühlte sich beim Zuschauen wie ein zum Leben erwecktes Videospiel an, das alles über Bord warf, was man hierzulande aus mäßig vergleichbaren Samstagabendsendungen wie „Die 100.000 Mark Show“ oder „Die Glücksritter“ kannte.

Spaßiges Zusammenprallen mit der Tür

 

Etappenspiele waren beispielsweise „Das Torwandlaufen“, in denen die Kandidaten eine von vier Türen wählen und mit voller Geschwindigkeit passieren mussten. Leider bestanden nicht alle Tore aus leicht durchdringbarem Papier, sondern teilweise auch aus massiven Holzplatten, die ein schmerzhaftes – für den schadenfrohen Zuschauer aber durchaus spaßiges – Zusammenprallen mit der Tür verursachten. Auch „Der Drachensee“ zählte zu den Klassikern der Show. Die Teilnehmer mussten – über einzelne Steine springend – einen kleinen See überqueren. Nun waren nicht alle der Steine so fest verankert, wie sie möglicherweise den Eindruck machten. Baden gingen die Spieler reihenweise. Diese Mischung aus sportlichem Können und purem Glück machte „Takeshi’s Castle“ zu einer Show, die zum Einem spannend, zum Anderem aber auch witzig sein konnte. Die Teilnehmer machten sich beim Verlieren der Spiele durchaus zum Affen, jedoch immer so, dass sie auch selbst darüber lachen konnten. Um den Humor der Sendung hierzulande zu unterstreichen, kommentierte Armin Berger die deutschsprachigen Folgen mit mal mehr und mal weniger lustigen Sprüchen und Bemerkungen.

 

Die visuelle Präsentation war für damalige Verhältnisse einmalig. Der Aufbau der Spiele sah nicht nur spektakulär aus, nein, es wurde eine komplette Welt rund um Fürst Takeshi und seine beinahe uneinnehmbare Festung erschaffen. Für die zwischen 1986 und 1990 in Japan ausgestrahlte Show entstand ein eigenes freizeitparkähnliches Gelände und der titelgebende japanische Machthaber bekam eine comichafte Leibgarde zur Seite gestellt, die es den Teilnehmern in ausgewählten Spielen zusätzlich schwer machte. So schubste Sumo-Ringer Masanori Okada die Kandidaten regelmäßig ins Wasser, Samurai Chu lehrte ihnen mit seinem riesigen Puppenkopf das Fürchten und Prügelknabe Sonemama Higashi musste bei einer Niederlage des Fürsten regelmäßig dessen schlechte Laune ertragen. Doch große Angst vor körperlicher Erniedrigung brauchte Higashi nicht zu haben, denn Takeshis Gefolgschaft machte ihren Job nicht schlecht. Während der 133 Versuche wurde die Festung nur neunmal erobert, wofür die glücklichen Sieger umgerechnet je 8.000 US-Dollar bekamen.

 

Durchschnittlich 340.000 Zuschauer

 

„Zwar hat das DSF mit nicht weniger ungewöhnlichen Sendereihen wie ‚Monster Trucks‘, ‚Außer Kontrolle‘ und ‚Blade Warriors‘ schon mehr oder weniger behutsame Vorarbeit geleistet, der plötzliche Erfolg von ‚Takeshi’s Castle‘ aber traf die Ismaninger dann doch überraschend“, stellte Der Spiegel 1999 fest und führte als Beweis Zuschauerzahlen von durchschnittlich 340.000 an. Woran das gelegen haben könnte, erklärte IMDb-User Starscream_86_ 2004 in einem Kommentar zur Show recht simpel und einleuchtend: „The funniest thing on TV EVER!“ Die Ausstrahlungsrechte der Sendung wurden seitdem an Länder verkauft, von deren Existenz ich noch nicht einmal wusste. Heute gilt „Takeshi’s Castle“ als Blaupause für japanische Game-Shows, die den Ruf haben, extrem zu sein. Einer der drei Schöpfer und namensgebender Protagonist ist Takeshi Kintano, der in Japan ein bekannter Regisseur, Schauspieler, Autor, Komödiant und Moderator ist. In Deutschland kennt man ihn am ehesten aus seinen Rollen in „Vernetzt – Johnny Mnemonic“ und der „Battle Royale“-Reihe.

 

Der internationale Erfolg der Show zog viele Kopien nach sich, die mit ähnlich gearteten Konzepten ein Stück des Takeshi-Kuchens abhaben wollten. Ein prominentes Beispiels aus Deutschland ist die 2007 mäßig erfolgreiche RTL-Show „Entern oder kentern“, welche bereits nach zehn Folgen abgesetzt wurde. Zwischen 2007 und 2008 kehrte „Takeshi’s Castle“ ins deutsche Fernsehen zurück und wurde in einer neugeschnittenen Version auf RTL2 ausgestrahlt. 2009 erfolgte der Wechsel zu Comedy Central. Komplett neue Folgen sind lediglich in Form eines 2005 entstandenen Live-Specials erschienen. 2013 lief in Japan unter dem Titel „Takeshi’s Castle Rebooted“ eine Neuauflage der Show, die jedoch in keiner Weise an den Erfolg des großen Bruders anschließen konnte, dessen Wiederholungen in Japan noch heute hohe Einschaltquoten erzielen. „Takeshi’s Castle“ ist eine großartige TV-Show, bei der den Kandidaten der Spaß an der Sache stets anzusehen war. Leider gibt es von der Sendung keine vollständigen DVD-Boxen, weshalb einem nur die Wiederholungen bleiben. Und dafür würde ich auch heute noch den Arbeitsplatz hastig Richtung Zuhause verlassen.

 

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