Star Wars: Die letzten Jedi – eine Abrechnung

Die Meinungen über „Star Wars: Die letzten Jedi“ gehen auseinander. In unserer Kritik haben wir bereits positive Töne angestimmt. Doch auch die negativen Seiten möchten wir ansprechen. Gastautor Rainer nimmt den Film daher in einem nicht spoilerfreien Beitrag in die Mangel.

 

Ach, Star Wars. Was haben wir beide nicht schon alles zusammen erlebt. Bereits bei unserem ersten Treffen vor dem Jahrhundertwechsel war klar: das ist Liebe auf den ersten Blick. Und seitdem haben wir eine wahre Achterbahn von Gefühlen durchlebt. Wir haben beide Fehler gemacht, keine Frage. Aber irgendwie kamen wir trotzdem super miteinander klar. Wie dieses eine Mal in Episode 2, in dem Anakin Skywalker eine gefühlte Filmstunde lang versucht, endlich Padme unters nabooanische Höschen zu kommen – indem er einen Monolog über Sand hält. Es war wirklich nicht immer einfach, aber wir haben zusammengehalten, denn das Sandfiasko hast du mir mit anderweitig starken Charakterentwicklungen und interessanten Handlungssträngen wieder gut gemacht. Und trotzdem konnte ich mich schon damals des Eindrucks nicht erwehren, dass wir beide uns zunehmend entfremden. Dann kam Episode 7. Und von da an ging alles ganz schnell.

 

Bevor ich hier jetzt einsteige und mir mein seit Dezember drohendes Fanboy-Magengeschwür von der Seele schreibe möchte ich noch ein paar Sachen vorwegnehmen. Kritiken sind im Regelfall immer subjektiv und dieses hier ist keine Ausnahme. Ganz im Gegenteil. Und Star Wars hat es bei mir erst recht nicht einfach, da mir das Universum sehr am Herzen liegt – die Filme sind da nur ein kleiner Teil. „Rogue One“ war meiner Meinung nach ein super Film. Vielleicht hat er mir aber nur deshalb so gut gefallen, weil er nicht meine alten Kindheitshelden durch den Disney-Fleischwolf jagt, sondern seine eigene Geschichte im Star-Wars-Universum erzählt. Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass ein Teil meiner Abneigung den neuen Filmen gegenüber vermutlich daherkommt, weil ein Teil von mir in einer “Früher war alles besser”-Schleife hängt und um jeden Preis verhindern will, dass jemand Hand an diese tollen Erinnerungen legt.

 

Die hässliche Fratze der filmischen Kommerzialisierung

 

Zunächst müssen wir einen kurzen Blick zurück wagen. Ungefähr in die Zeit, in der Disney ankündigte, so ziemlich alles bisher abseits der Filme verfasste zu “Non-Canon” zu erklären. Aus Sicht von Disney ein absolut nachvollziehbarer Schritt, schließlich kann sich der Konzern damit aus dem Korsett der bereits existierenden und extrem vielfältigen Vorgaben befreien und die Charaktere ganz nach eigenem Belieben in die gewünschte Richtung stricken. Allerdings war diese Handlung von Disney ein Fingerzeig in eine Richtung, die viele eingeschworene Fans seit ihrer Ankündigung befürchtet hatten und die spätestens seit der letzten Episode der Saga völlig offensichtlich ist: Star Wars muss einem möglichst großen Zielpublikum zusagen. Das zeigt sich an allen Ecken und Enden des Films.

 

Wo Episode 7 noch etwas dezenter mit der Logikschere schnippelte und sich bemühte ein gewisses Maß an Fanservice zu bieten, legt Episode 8 diese Maske komplett ab und zeigt die hässliche Fratze der filmischen Kommerzialisierung des Franchise. Auf jedem besuchten Planeten gibt es mindestens eine knuffige oder anmutige Tierart, die sich als Stofftier verheizen lässt. Sturmtruppler mit neuen Helmen und neu lackierte TIE-Fighter erlauben frische Actionfiguren und Legosets. Aber es sind nicht diese Dinge, die mich bereits bei dem Gedanken an den Kinobesuch wütend werden lassen. Denn dass Disney die Franchisekuh so umfassend wie möglich melken will, muss jedem halbwegs vernünftigen Menschen bereits vorher klar gewesen sein.

 

Was mich wirklich an den aktuellen Filmen stört, ist die offensichtliche Gleichgültigkeit mit der Disney den Fans vor den Kopf stößt und das Star-Wars-Universum in die Mangel nimmt. Und das nur, um auch dem letzten Kinobesucher, der eigentlich nichts mit Star Wars anfangen kann, einen soliden Actionstreifen zu präsentieren. Das hat in Episode 7 damit angefangen, dass der bekannteste Schmuggler der Galaxis sein geliebtes Schiff nicht finden konnte, da es auf einem ihm wohlbekannten Planeten unter einer Plastikplane versteckt war. Dabei war ich gerade am Anfang von Episode 7 wirklich optimistisch; der zu Beginn spannend inszenierte Umstand, dass auch Sturmtruppler nur Menschen sind, die Angst und Zweifel haben können, hätte richtig spannend werden können. Leider scheint sich diese Tatsache aber auf Finn zu beschränken, denn seit dieser dramaturgisch interessanten Offenbarung im Einstieg des Films werden weiterhin Sturmtruppen gemäht wie Futtermais.

 

Bloß kein potentielles Stofftier weniger!

 

Aber zu Episode 8: Da durchlebt der imperiale Erzfeind gar einen neuen Tiefpunkt. So gibt sich der Film von Beginn an redlich Mühe, die Gegenseite wahlweise als lächerlich inkompetent oder abgrundtief böse darzustellen. Finn scheint der einzige in der imperialen Armee gewesen zu sein, der ab und zu mal Gewissensbisse hatte. Vielleicht ist er auch einfach nur ein Schisser, schließlich will er auch in Episode 8 türmen – überlegt sich das aber doch anders, sobald ihm spontan die wahre Liebe über den Weg läuft. Tiefgründig. Darüber muss man sich aber nicht wirklich Gedanken machen, denn wenn man will, kann man diesen kompletten, völlig sinnfreien Handlungsstrang um Monte Carl… äh, einen einzigartigen Glücksspielplaneten mit einer anmutigen Tierart komplett ausblenden ohne dass sich am Film etwas ändern würde. Nur hätte Disney ein potentielles Stofftier weniger. Aber damit muss man wohl leben. Leben muss man auch mit der Charakterentwicklung des Luke Skywalker, ehemals der personifizierte Optimismus, der selbst beim Anblick des puren Bösen an das Gute in den Menschen glaubte, jetzt aber seine eigenen Schüler hinterrücks im Schlaf erschlagen möchte. Klar.

 

Das freut mich als alten Fan dann ungefähr genauso wie die Tatsache, dass einer der ikonischsten Charaktere des kompletten Franchise, Admiral Ackbar, in einer kaum bemerkten Nebeneinstellung das Zeitliche segnet, während Leia Organa dafür engelsgleich mit Hilfe der Macht zurück zum Schiff schweben darf, damit man ihr im luftleeren Raum die Tür öffnen kann. Ich wünschte wirklich, dieser Moment wäre ein Einzelfall geblieben. Aber wie ein roter Faden ziehen sich saublöde Logikfehler durch den Film. Vom idiotisch Kilometer vor der schützenden Flotte geparkten Supersupersternenzerstörer bis zur militärischen Nutzung des Hyperraums als Wunderwaffe, bei der man sich nur Fragen kann, wieso diese simple und effektive Taktik eigentlich nicht schon viel länger zur Vernichtung von gegnerischen Flotten eingesetzt wird. Vielleicht braucht dieser Film solche kleinen Aufreger auch; denn im Vergleich dazu schaue ich Luke Skywalker sehr gern dabei zu, wie er an Alien-Eutern nuckelt, ertrage stoisch die saublöden und deplatzierten, dafür unglaublich heroischen Einzeiler von Poe Dameron und hinterfrage erst gar nicht, welches dämliche Sackgesicht bei Disney für die viel zu häufigen Slapstick-Einlagen verantwortlich gewesen sein könnte.

 

Aber wo Schatten ist, findet sich für gewöhnlich auch Licht. Die visuellen Effekte sind natürlich super. Auch das Imperium scheint lernfähig: Diesmal hat niemand eine Superwaffe mit idiotischer Schwachstelle gebaut. Und tatsächlich: die Szene, in der Luke erscheint und Leia die Würfel aus dem Falken in die Hand drückt, ist einer der wenigen Momente in denen der Film dem älteren Franchise nochmal freundlich zunickt – und die ich als Fan durchaus würdigen kann. Diese letzten Minuten des Films bleiben für mich auch die einzig starken. Aber weil das zu schön gewesen wäre, darf Luke dann noch durch Überanstrengung vom Felsen plumpsen, weil sein Weiterleben wohl den Handlungsstrang von Episode 9 verkompliziert hätte. Ich könnte noch eine ganze Weile so weitermachen: Über Bügeleisen im Weltraum. Über shirtlose, weinerliche Sith, Snokes abrupten Tod, Rammböcke auf Salzplaneten. Aber seien wir ganz ehrlich, darauf kommt es jetzt auch nicht mehr an. Star Wars ist tot. Lang lebe Star Wars.

 

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