Review: Nur Gott kann mich richten

Moritz Bleibtreu spielt zehn Jahre nach „Chiko“ wieder den Gangster. „Nur Gott kann mich richten“ ist ein ernstzunehmendes Drama geworden, das auf Peinlichkeiten verzichtet.

 

Regisseur Özgür Yildirim und Moritz Bleibtreu haben sich knapp zehn Jahren nach „Chiko“ noch einmal zusammengetan, um ein weiteres Kapitel des deutschen Gangsterfilms zu schreiben. „Nur Gott kann mich richten“ ist aber nicht die Geschichte des Anfangs, sondern des Endes einer Karriere im Drogenmilieu. Dabei nimmt der Film den Hype um „4 Blocks“ mit, verpasst sich durch Gastauftritte deutscher Rapper wie Xatar und SSIO eine authentische Note und verzichtet fast gänzlich auf sprachliche Peinlichkeiten, die deutsche Filmemacher noch vor zehn Jahren aufgrund mangelnder Bezugspunkte ins Drehbuch geschrieben hätten.

 

Gut und Böse verschwimmen

 

Nach einer fünfjährigen Haftstrafe möchte Ricky noch ein letztes Ding durchziehen, um mit dem daraus gewonnen Geld einen Neuanfang zu wagen. Natürlich kommt alles anders. Der Deal geht in die Hose, weil ihnen Polizistin Diana dazwischenkommt. Doch diese meldet die beschlagnahmten Drogen nicht ihrer Dienststelle, sondern versucht sie selbst zu verkaufen, um damit das Leben ihrer kranken Tochter zu retten. Am Ende laufen alle Fäden zusammen. Es wird viel geschrien, es fließt viel Blut. Gut und Böse verschwimmen immer wieder, denn die Figuren sind mehrschichtig angelegt. Ricky kümmert sich liebevoll um seinen Vater, möchte in der nächsten Szene aber einen Menschen umbringen. Das Identifikationspotenzial wird mit jeder Szene hinterfragt.

 

„Nur Gott kann mich richten“ funktioniert dank seines Schauplatzes so gut. Immer wieder wird die Skyline Frankfurts eingeblendet. Kühles und urbanes Lebensgefühl durchflutet den kompletten Film. Nicht der peinliche Tatortmuff deutscher Produktionen, sondern ungekünstelte Internationalität heben den Film auf ein Niveau mit europäischen Gangsterstreifen wie „Ein Prophet“ oder „Salvo“. Starke Schauspielleistungen von Moritz Bleibtreu und Birgit Minichmayr geben der Geschichte die notwendige Intensität. Dabei agieren die Darsteller den Situationen entsprechend intensiv, ohne in die Falle des „overacting“ zu tappen.

 

Blut, Schweiß und Tränen

 

Regisseur Yildirim zeichnete sich auch für das Drehbuch verantwortlich. Statt eines beschränkten Mischmaschs aus arabisch und deutsch, von dem Autoren hierzulande häufig glauben, dass in entsprechenden Kreisen auf diese Art kommuniziert wird, sprechen die Gangster durchgängig in ihren Muttersprachen. Durch solche Darstellungen wirkt der Film authentisch und nicht wie eine Karikatur auf die Unterwelt. Der Soundtrack, der vom deutschen Hip-Hop-Label Alles oder Nix stammt, unterstreicht den glaubhaften Anstrich des Films. Natürlich ist „Nur Gott kann mich richten“ ein fiktives Werk, doch das in Deutschland auch in der Realität verfeindete Clans und Gangs mit schweren Geschützen aufeinander losgehen, zeigt eine kurze Online-Recherche.

 

„Klar gibt es ein paar leichte Momente, aber hauptsächlich ist es Blut, Schweiß und Tränen“, erklärte Bleibtreu im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau. Leichte Kost ist „Nur Gott kann mich richten“ tatsächlich nicht. Dem Zuschauer schießt der Gedanke in den Kopf, wie er in einer solchen Situation handeln würde. Die Figuren in „Nur Gott kann mich richten“ kämpfen immer weiter. Das kann auch für den Kinobesucher ermüdend und anstrengend werden. Wenn der Film im zu langgestreckten Finale noch eine Schleife läuft, reicht es einfach. Doch bis dahin unterhält „Nur Gott kann mich richten“ mit einem erfrischend unübertriebenen Gangsterdrama, das weder romantisiert noch langweilt.

 

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