Frank Turner auf dem Stimmen-Festival: Eiscreme und Wall of Hugs
21.7.2016 - Lörrach, Marktlpatz
Manchmal reicht so etwas Einfaches wie Rock’n’Roll, um eine Stadt zu bezirzen. Frank Turner war mit seinen Sleeping Souls am 21. Juli das erste Mal in Lörrach zu Gast und spielte auf dem Stimmen-Festival eine Show, an die sich nicht nur Freunde von Eiscreme erinnern werden.
Bereits 1931 Auftritte bestritt Frank Turner in seiner 15-jährigen Musikkarriere – am 21. Juli auf dem Stimmen-Festival seinen 1932. und ersten in Lörrach. Und schon beim Soundcheck auf der großen Marktplatzbühne hatte der Brite mit den Eigenarten der Süddeutschen zu kämpfen. „Du bist zu laut für Eiscreme“, soll ihm ein genervter Genießer der kalten Süßspeise zugerufen haben. Wie ein Running-Gag zog sich „too loud for ice cream“ durch die komplette Show und gipfelte noch während des Auftrittes in einer Eisspende vom gegenüberliegenden Eiscafé für den sympathischen Musiker. Eis war für das Publikum nicht nötig, denn das frische Lüftchen, das sich durch die engen Gassen direkt auf den Marktplatz zog, sorgte für genug Abkühlung und animierte zusätzlich zum hochengagierten Turner, tanzen und mitklatschen zu wollen.
Frank Turner – der berühmte deutsche Sprachwissenschaftler
Die dreiköpfige Vorgruppe um den Kanadier Aidan Knight hatte es da deutlich schwerer. Der anfangs etwas geringe Publikumsandrang, Stimmprobleme mit dem Bass und Anekdoten, die immer wieder ins Leere liefen, schmälerten die Begeisterung für den etwas zahnlosen Schlecht-Wetter-Rock. Das überhastete Ende des Auftritts und die beim anschließenden Umbau eingespielten Soul-Klassiker von unter anderem Jackson 5, Marvin Gaye und Smokey Robinson, die deutlich mehr Stimmung bei den Zuschauern erzeugten, passten da nur zu gut ins Bild. Schade, denn die drei Wahlberliner wirkten an diesem Abend zwar ein wenig neben der Spur, ließen aber immer wieder Potenzial durchblitzen.
Kurz nach neun stürmten Frank Turner und seine Band The Sleeping Souls zum epischen „Jurassic Park“-Theme auf die Bühne und – es klingt wie eine Standardphrase aus der ganz schlechten Musikjournalistenschule – begeisterten vom ersten Song an: „Now who’d have thought that after all, something as simple as rock ‘n’ roll would save us all!“ Wie ein junger Angus Young sprang der in weißem Hemd und schwarzem Schlips gekleidete 34-jährige über die Bühne und feuerte immer wieder sein Publikum an. Zwischen den Songs bezeichnete er sich selbst als „berühmten deutschen Sprachwissenschaftler“, denn das erste Viertel der Show kommunizierte er in verhältnismäßig gutem Deutsch mit seinen Gästen.
Der Brexit kann ihn nicht stoppen
Wien musste weichen, denn „The Road“ wurde beiläufig umgedichtet: „Well I’ve travelled many countries, washed my feet in many seas, I’ve drunk with grifters here in Lörrach and with punks in old DC.” Frank Turner hat sich größte Mühe gegeben, alle beteiligten Menschen zu involvieren, jeder sollte sich gut fühlen. Andere Frontmänner stellen ihre Band kurz vor der Zugabe vor, Turner begann damit bereits nach zehn Minuten, kommunizierte im weiteren Verlauf ständig mit ihnen. Auch das Publikum wurde erfolgreich dazu gebracht, sich gehen zu lassen. Die Jazz Hands während „Glorious You“ und der spätere Circle Pit waren da noch harmlos, denn richtig absurd großartig wurde es, als Turner dazu aufrief, statt einer Wall of Death eine Wall of Hugs zu initiieren.
Turners Schweiz-Booker Martin wurde per Crowdsurfing einmal über den kompletten Marktplatz und wieder zurück geschickt, während um ihn herum getanzt wurde, als wäre schon Freitagabend. Das kurze Akustiksegment, in dem Turner ohne die Sleeping Souls musizierte, war da eine wohltuende Verschnaufpause. „The Ballad Of Me And My Friends“ und das The-Postal-Service-Cover „The District Sleeps Alone Tonight” ließen den Schweiß trocknen, bevor es mit “Redemption” und kompletter Bandbesetzung per Bleifuß weiterging. Das große Finale nach einer gefühlt viel zu kurzen 100-Minuten-Show wurde mit „Four Simple Words“ und einem beim Singen stage-divenden Frank Turner eingeläutet. Zum Glück betonte der derzeit in London lebende Musiker am Ende noch einmal, dass ihn der Brexit nicht aufhalten wird, auch weiterhin durch Europa zu touren.
Kommentar hinterlassen