Review: Frank Ocean – Channel Orange
Von der Visions bis zur Juice gab es nicht nur hierzulande ungefähr keinen Kritiker, der Frank Ocean nicht unfassbares Talent attestierte. „It’s one of the best albums of the year, and Ocean, hopefully, will keep making more like it, without a hint of reservation.”, schrieb beispielsweise billboard.com über das vor ein paar Wochen erschienene Debütalbum “Channel Orange” und wurde dabei vom Telegraph wortgewaltig unterstützt: “There are enough ideas here for a dozen CDs, sure to inspire plenty of copycat versions of these inventive grooves from other artists trying to follow Ocean’s magical lead.”
Dabei macht es „Channel Orange“ dem Hörer nicht immer leicht. Die Platte hat Ecken und Kanten, ist an manchen Stellen gar sperrig. Sie schwooft zu Beginn geradezu sphärisch vor sich hin, als wäre sie die Hintergrundmusik des Playstation-2-Menüs. Mit “Sweet Life“ packt Ocean dann aber doch den ersten waschechten Hit aus, zu der deine kleine Schwester ihre Zahnspangenküsse verteilt und deine Mama am Diskoabend im All-Inclusive-Urlaub auf Lanzarote das Tanzbein schwingt. Spätestens ab da geht „Channel Orange“ ins Ohr. Jedoch ohne sich mit schnulzigen Fremdschamrefrains beim Hörer anzubiedern.
Überhaupt macht es Ocean einem relativ einfach, sich trotz verhältnismäßig ungewohnten bzw. anspruchsvollen Tönen fallen zu lassen. Gerade Menschen mit ausgeprägter R.-Kelly-Phobie werden ihren Spaß mit dieser Version von R’n’B haben. Denn Songs wie “Pilot Jones“ könnten zwar große Hits sein, sind es aber zum Glück nicht im herkömmlichen Sinne. Im richtigen Moment vom Gas gehen, muss man sich auch erst einmal trauen, wenn man so kurz vorm Ohrwurm steht. Nicht einmal der Ibiza-Großraumdissen-Moment in “Pyramids“ gerät peinlich. Und nebenbei: Frank stellt dieses 10minütige Mammutstück nicht nur in die Mitte seines Albums, sondern veröffentlicht es sogar als Single. Und irgendwie fühlt sich all das nicht komisch an. Im Gegenteil, genauso muss man es machen, wenn man eine Vision und keine Dollarzeichen im Kopf hat.
„Too many bottles of this wine we can’t pronounce“, singt Frank Ocean zum Beispiel auf dem gemeinsam mit OFWGKTA-Kumpel Earl Sweatshirt aufgenommenen „Super Rich Kids“ und findet damit die richtigen Worte für Dinge, von denen wir bis dato gar nicht wussten, dass man dafür richtige Worte finden muss. Ocean hat Song für Song die dunklen Abschnitte des Lebens im Kopf und hantiert dabei mit einem solch vielseitigen Stimmeinsatz, dass man ihm sowohl den schmierigen R’n’B-Crooner als auch den zerbrechlichen Herzschmerzanfälligen abnimmt. Dass die drei Parts eines Stückes dann auch mit drei jeweils unterschiedlichen Gesangsrhythmen bestückt wurden, ist nur ein weiterer Aspekt, der Franks Talent mit einem dicken 800er Edding unterstreicht. Bei so viel geballtem Können fühlt sich auch ein Bruder im Geiste – wie Outkasts André 3000 – auf dem mit Gitarren geschwängerten Glanzstück „Pink Matter“ wohl.
“Channel Orange” ist das Meisterwerk, das Frank Ocean von Anfang an zugetraut wurde. Ein Grower, der noch dann voller Frische im Ohr hängt, wenn schon eifrig Jahresbestenlisten geschrieben werden. Von nun an ist auch R’n’B so richtig cool. Frank Ocean macht es möglich!
auf dein anraten shconmal angetestet. musik zieht, gesang packt mich leider nicht so.
auf dein anraten shconmal angetestet. musik zieht, gesang packt mich leider nicht so.