Review: eou – Kid Life Crisis

Bei Mixery Raw Deluxe haben sich noch alle gefragt, wer das denn ist und warum gerade die dort sind. Dann hat man mal gegoogelt und ist auf das Video zu „immernochso“ gestoßen. Und ab da gab es wohl ungefähr niemanden mehr, der nicht ansatzweise nachvollziehen konnte, warum Falk die beiden Norddeutschen für einen Teil seiner „Neuen Reimgeneration“ hält. Crusoe und Snew sind eou und haben vor zwei Wochen ihr Album „Kid Life Crisis“ veröffentlicht.

 

Der Hype um die deutschen „Hipster-Rapper“ Rockstah, Cro , Ahzumjot und Konsorten ist riesig und wird mittlerweile nicht nur gefeiert. eou aus Kiel und Hamburg platzen zwischen Burgern, Panda-Masken und geometrischen Formen trotzdem mit ihrer ersten Veröffentlichung, die deutschlandweit für Aufmerksamkeit sorgen soll, dazwischen. Über den Status eines gutgehüteten Geheimtipps dürften sie so langsam hinaus sein.

Und alle so yeah

 

„Kid Life Crisis“ ist ein Album, dessen inhaltlicher Rahmen aus der Sinnsuche angehender Akademiker und dem Lifestyle intelligenter Tweenies besteht. Doch dieses Thema gibt nicht durchgehend den Ton auf dem Album an. Was gut ist, denn dadurch fühlt man sich nach den zwölf Songs keineswegs vom Jammern  wehleidiger Versager, die es eigentlich ziemlich gut haben, erdrückt. Stattdessen wirken entsprechende Stücke wie die Studienberatung „Und alle so yeah“, die ehrliche Abrechnung mit sich selbst „Weltverschlimmbesserer“ oder die etwas dramatischere „immernochso“-Version „Alles cool“ wie die Mythologie-Folgen in Akte X. Wie kleine Highlights, wegen denen man sich das Album gekauft hat.

 

Doch auf „Kid Life Crisis“ gibt es deutlich mehr zu entdecken als Coming-Of-Age-Geschichten im vertonten Format. Mit „Aber nicht“ und „Kein Lieblingslied“ beweisen die beiden Rapper ordentlich Humor, geben auf „Schmetterhund“ einen Einblick in ein Leben, das zwischen Pro-Sieben-Nachmittagsprogramm und der Videothek stattfindet und huldigen mit „Bin ich Fan von“ allen Ultras auf diesem Erdball. Eben ganz normale Jungs, die des Öfteren nix spannendes zu erzählen haben und gerade deshalb den Geschmack mancher Menschen mit Zimmer in einer Großstadt-WG treffen.

 

Reimgähneration statt Speerspitze

 

Das HipHop-Fachblatt „Juice“ schrieb: „Im Ergebnis also mehr so nett bis langweilig, Reimgähneration statt Speerspitze.“ Axel Genz vom Splash-Mag fügte hinzu: „Die zwei Hamburger Burschen bewegen sich auf dem Album zwischen Songs über Existenzängste, müde intoniertem Flow und Rumpelbeats relativ unspannend vom Anfang zum Ende.“ Doch diese Aussagen so stehen zu lassen, wäre unfair. „Kid Life Crisis“ ist nicht die Offenbarung, die Deutschrap das nächste Top-5-Album beschert, sondern Musik, die – wenn man es denn möchte – der Soundtrack eines Lebensabschnitts sein kann.

 

Doch manche Pressestimmen zeigen deutlich, die Jungs können einem auch genügend Gründe geben, sie nicht so gut zu finden. Der 35jährige Schichtführer beim Daimler wird es nicht fühlen und der 16jährige Realschüler in Buxtehude nicht verstehen. „Kid Life Crisis“ ist Musik, die nach dem ersten Hördurchgang völlig massenkompatibel wirkt, sich inhaltlich nach und nach aber zu einer hochexklusiven Angelegenheit entwickelt. Die Bachelorstudenten, denen die Zeit davonläuft, weil sie ihre ECTS-Punkte nicht vollkriegen oder die Mathematik-Studenten, die reihenweise nach Hause gehen dürfen, da sie nicht die erforderlichen Leistungen bringen, werden nur müde lächeln können, wenn Crusoe und Snew das Klischee des faulen Studenten, der zu viel Zeit hat, bedienen. Auch auf der musikalischen Seite könnten die Rap-Heads, die alle sieben Tage den Flow der Woche küren, etwas zum Motzen finden. Doch das ist alles nicht schlimm. Denn eou geben einem bei dem, was sie da tun, niemals das Gefühl, dass sie unfehlbar sind. Statt vom richtigen Plan zu erzählen und ihn dann zu befolgen, bleiben sie lieber sympathisch.

 

Nix groß anderes als Kettcar

 

Im Grunde machen eou inhaltlich nix groß anderes als Kettcar. Die Herangehensweise ist vielleicht eine andere, doch Songs wie „Kopf On The Rocks“ oder „Kryptonit“ erzählen ebenfalls vom ewigen Wunsch nach innerer Ruhe und dem Ankommen im Leben. Statt Gitarren gibt es komplexe Beatkonstrukte, die nicht der gängigen 16er-Hook-16er-Hook-Struktur gehorchen, sondern mit Bridges, Instrumentalparts und spannenden Übergängen überraschen. Das alles muss man nach dem ersten Hördurchgang noch nicht verstanden haben. Mit Rockstah und Ahmzujot wurden die Featuregäste ebenfalls durchdacht ausgewählt. Diese hämmerten keine Parts ins Mikro, die sie zwischen X-Box und Nebenjob hätten aufnehmen können, sondern je einen Text, der am Ende der Songs steht und wie die Stimme eines neutralen Beobachters wirkt.

 

„Kid Life Crisis“ ist ein schönes Album, das von zwei Menschen gemacht wurde, die das, was sie da tun, lieben. Es fängt bei den ausgefuchsten Arrangements an und hört bei dem liebevoll gestalteten Kreideartwork auf. eou müssen sich keine Gedanken machen. Sie haben alles richtig gemacht. Spannend müssen das trotzdem nicht alle finden. Aber so ist das halt mit den Menschen und dem Leben.

 

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