Review: Baby Driver

Endlich gibt es Futter für Menschen, die Autofilme mögen, sich aber aus Angst vor Gehirnzellenverlust nicht an die „Fast & Furious“-Reihe herantrauen. Edgar Wrights „Baby Driver“ bewegt sich durch Atlanta, als wäre die Straße ein Tanzboden.

 

„Baby Driver“ ist der neue Film von Edgar Wright, der in der Vergangenheit mit Streifen wie „The World’s End“, „Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt“ und „Ant-Man“ zum Liebling der Popkulturjugend wurde. Und die Zeichen stehen gut, dass sich der Action-Thriller mit Ansel Elgort und Kevin Spacey in die Liste seiner prominenten Vorgänger einreiht. „Baby Driver“ ist kein plumper PS-Porno, sondern ein künstlerisch inszeniertes Musikvideo in Überlänge, das sich an ein erstaunlich breites Publikum richtet.

 

Baby leidet seit einem schweren Autounfall in seiner Kindheit an einem Tinnitus. Durch das ständige Musikhören über Kopfhörer versucht er diesen zu übertönen. So hat er sich mit der Zeit daran gewöhnt, nach dem Rhythmus der Musik durchs Leben zu gehen. Besonders sein Fahrstil profitiert davon, denn dieser kommt einer Tanzchoreografie nahe, die ihn jede noch so brenzlige Situation überwinden lässt. Um seine Schulden bei Gangsterboss Doc zu tilgen, arbeitet Baby dementsprechend als Fluchtwagenfahrer bei Banküberfallen und Raubzügen.

 

Wie die Eröffnungsszene von „La La Land“

 

Vor den Verfolgungsjagden in „Fast & Furious“ braucht sich „Baby Driver“ nicht zu verstecken. Diese wirken spektakulär, sind trotzdem nicht unangenehm überdreht. Ästhetik steht über prolligen Burnouts. Ob eine Eröffnungsszene wie die aus „La La Land“ oder die Fluchtfahrt nach dem ersten Überfall – beide Szenen stellen die Schönheit der Bewegung in den Mittelpunkt. Ein „Fast & Furious“ für Intellektuelle ist „Baby Driver“ trotzdem nicht. Vielmehr öffnet sich der Film für verschiedene Geschmäcker und zeigt, dass Action nicht anspruchslos sein muss, sondern sinnvoller Teil einer Geschichte sein kann.

 

Der Soundtrack, der mit Liedern von Queen bis The 45 King’s stilsicher zusammengestellt wurde, hält den Film zusammen. In Kombination mit den Bildern entsteht eine unwiderstehliche Atmosphäre, die den Zuschauer dazu bewegt, den iPod vom Dachboden zu holen. Ansel Elgort, der den titelgebenden Baby verkörpert, tanzt zur Musik glaubwürdig cool durch Atlanta. Obwohl seine Rolle dank durchgängigem Pokerface und Sonnenbrilleneinsatz limitiert ausfällt, ist es eine Freude ihm dabei zuzusehen. Da passt Kevin Spacey, der im Laufe der knapp zwei Stunden nicht einen Gesichtsmuskel bewegt, perfekt dazu.

 

Das ist alles viel zu viel, erschlägt trotzdem nicht

 

„Baby Driver“ verzichtet auf eine klare Einteilung in Gut und Böse. Die Frage danach stellt sich während des Films aber auch nicht. Ob Anführer Doc, der von Jamie Foxx aggressiv gespielte Bats oder der von Jon Hamm völlig durchgeknallt gemimte Buddy, der Zuschauer ist sowieso auf der Seite von Baby, möchte, dass seine Liebesgeschichte mit Debora nicht wie die von Bonnie und Clyde endet. Wright schafft die Verbindung zwischen Zuschauer und Protagonist mit viel Emotionalität: Der Tod der Mutter, die Fürsorge für den körperlich eingeschränkten Pflegevater, die grenzenlose Loyalität zwischen dem Liebespaar – das ist alles viel zu viel, erschlägt trotzdem nicht.

 

„Baby Driver“ konzentriert sich auf eine kleine geschlossene Welt, in der nur die nötigsten Handlungsstränge, Elemente und Figuren vorkommen. Nicht alles muss erklärt werden. Nicht alles muss Sinn machen. Damit spielt der Film sogar, wenn sich die Ereignisse im Finale völlig überschlagen und der Realismus der Action zuliebe 20 Minuten früher Drehschluss hatte. Übelnehmen möchte man dem Film das nicht, denn Edgar Wright ist mit „Baby Driver“ ein geschmackvoller Actionfilm gelungen, der die richtige Mischung aus Style und Kante besitzt.

 

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