Review: Die irre Heldentour des Billy Lynn
Der Regisseur von „Life of Pi“ und „Brokeback Mountain“ hat einen neuen Film gemacht: „Die irre Heldentour des Billy Lynn“ ist eine Buchverfilmung, die acht Soldaten auf einer Propagandareise durch die USA begleitet.
2012 erschien Ben Fountains Roman „Billy Lynn’s Long Halftime Walk“, der von Zuschauern der BBC in die Liste der 20 besten Romane des beginnenden 21. Jahrhunderts gewählt wurde. In der fiktiven Geschichte fliegt das Pentagon den zum Kriegshelden hochgelobten Billy Lynn und seine Militäreinheit aus dem Irak ein, um diese auf eine Propagandatour durch die USA zu schicken. Am Ende ihrer Werbereise müssen die acht Männer ihre Heimat wieder verlassen und in den Krieg zurückkehren.
In Deutschland erschien der Roman 2013 unter dem Titel „Die irre Heldentour des Billy Lynn“. Ang Lee – der Regisseur von „Life of Pi“, „Brokeback Mountain“ und ”Hulk” – verfilmte das Buch nun und besetzte die Hauptrolle mit einem gänzlich unbekannten Gesicht. Joe Alwyn verkörpert den 19-jährigen Billy Lynn und darf bereits in seinem Debüt an der Seite von Hollywoodstars wie Kristen Stewart, Chris Tucker, Garrett Hedlund, Vin Diesel und Steve Martin spielen. Der Einstand ist ihm geglückt, was bei seiner anspruchsvollen Rolle nicht selbstverständlich ist.
Zu Beginn des Films macht Billy Lynn einen recht gefestigten Eindruck, indem er seine Heldentaten, in die er im Grunde nur hineingestolpert ist, mit sympathischer Bescheidenheit weglächelt. Im weiteren Verlauf stellt sich jedoch heraus, dass Lynn an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet. Lee setzt entsprechende Anfälle durch unangenehme Nahaufnahmen von Alwyns verschwitztem Gesicht sowie akustische und visuelle Spielereien um. So triggern Fäuste, die auf Tische schlagen, oder Pyrotechnik bei Live-Shows Erinnerungen an schreckliche Einsätze.
Leere Worthülsen ertragen
Von allen Seiten bekommen Lynn und seine Kameraden gesagt, dass ihr Land sie brauche. Die designierten Helden ertragen die leeren Worthülsen, wissen aber, dass sie sich und ihren Bewunderern etwas vormachen. Sie haben vergessen, wofür sie eigentlich kämpfen. Haben es im Falle von Lynn, der sich als Rehabilitationsmaßnahme bei der Armee eingeschrieben hat, womöglich noch nie gewusst. Am Ende hat es vermutlich keiner der Soldaten aus patriotischen Gründen getan. Sie sind perspektivlose Jugendliche, die sich – können sie aus dem Militär-Drill ausbrechen – auch wie welche benehmen.
Soldaten, die verhältnismäßig mickrige Löhne erhalten, werden in „Die irre Heldentour…“ mit wohlhabenden Managern konfrontiert. Vordergründig wird zwar betont, wie wichtig die Soldaten seien, für die Wirtschaftsbosse sind sie jedoch nur eine weitere Geldquelle. Dieser Egoismus zieht sich bis in die Familien. Lynns von Kristen Stewart gespielte Schwester möchte ihn unbedingt aus der Armee holen. Nicht nur, um ihn zu schützen, sondern auch um das eigene Gewissen zu beruhigen. Denn ganz unschuldig ist sie nicht an dem Lebensweg, den ihr Bruder eingeschlagen hat.
„Die irre Heldentour…“ spielt zum Großteil während eines Footballspiels im Stadion der Dallas Cowboys. Dort treibt der Film den Spießrutenlauf auf die Spitze. Es wird deutlich, dass nicht nur die militärischen Befehlshaber herumkommandieren, sondern auch Produktionsmanager, Agenten und Liebschaften, die sich durch die Kriegshelden nur selbst profilieren möchten. Die „echte“ Welt scheint unwirklicher zu sein als die Armee mit ihren klaren Hierarchien und Regeln. Lynn und seine Kameraden fühlen sich nur noch in ihrer Einheit zuhause und verstanden.
Krieg ist ein Geschäft
Die große Stärke des Films ist es, trotz eines schweren Themas massentauglich zu unterhalten. „Bravo Squad“ – wie die Einheit rund um Billy Lynn von den Medien getauft wurde – wirkt wie ein eingespieltes Team, das sich auf Klassenfahrt befindet. Der Humor wird durch die Dialoge transportiert, die derbe sind, aber gerade dadurch den liebevollen Umgang untereinander hervorheben. Trotzdem vergisst der Film nie, dass er ein Drama mit starken Kriegsfilmelementen ist.
Am Ende bleibt beim Zuschauer das hängen, was er bereits wusste. Krieg ist ein Geschäft, das sowohl im Aus- als auch Inland geführt wird. Ang Lee hat trotzdem einen 110-minütigen Film geschaffen, über den man nachdenken möchte. Denn das unfaire Umgehen mit Soldaten und das unreflektierte Tolerieren von miesen Geschäftspraktiken sind Sachverhalte, die „Die irre Heldentour des Billy Lynn“ auf eine unterhaltsame Art in den Fokus rückt.
„Die irre Heldentour des Billy Lynn“ kam am 2. Februar 2017 in die deutschen Kinos.
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