Review: Bundesvision Song Contest 2012

Stefan Raab fördert mit dem Bundesvision Song Contest seit acht Jahren die hiesige Musikszene wie kaum ein anderer. Allein dafür gebühren im Dank und für die nächsten zwanzig Jahre hohe Einschaltquoten.

 

Als Lokalmatadoren eröffneten gestern Abend die Gewinner von 2006, Seeed, den achten Bundesvision Song Contest in der Berliner Max-Schmeling-Halle. Nach dem Vorjahressieg von Tim Bendzko war die Hauptstadt der Bundesrepublik als Austragungsort für 2012 gesetzt. Vertreter der restlichen 15 Bundesländer reisten in die Stadt an der Spree, um den vielleicht interessantesten Musikwettbewerb Deutschlands auszufechten. Ohrwürmer, Überraschungen und schlechte Sprüche inklusive.

 

Irgendwie war alles so, wie man es seit Jahren kennt. Stefan „äääääh“ Raab, Moderatoren-Azubine Sandra Rieß und der nervigste Deutsche 2004 bis 2023, Elton, führten durch das Programm. Pro Siebens wichtigste Zugpferde machten den Job, den man von ihnen kennt und erwartet. Einfache Unterhaltung für ein vermeintlich einfaches Publikum. Eine Mischung aus schlecht aufgesagten Gags und unangenehmer Körpersteife. Rocken geht anders. Langweilen zum Glück auch.

 

16 Bundesländer, 16 Beiträge

 

Doch im Mittelpunkt standen selbstverständlich die 16 musikalischen Beiträge. Dieses Jahr war beispielsweise die deutschsprachige HipHop-Szene so stark vertreten wie nie zuvor. Klar, Rap spielte schon immer eine große Rolle beim BuViSoCo, doch mit Xavas (Xavier Naidoo & Kool Savas), den Orsons feat. unnötigerweise Cro, Fiva & das Phantom Orchester (mit Unterstützung von 66,6666666% von den Sportfreunden Stiller), einem crossovernen B-Tight und der König tanzt (König Boris) kam man sich zuweilen vor wie auf einer HipHop-Jam in groß mit Konfetti und Kameras. Selbstverständlich standen aber auch viele andere Musikstile in den Startlöchern. Luxuslärm fragten deutschrockig „Liebt sie dich wie ich?“ und hielten damit die Flagge für Nordrhein-Westfalen höher als das Rothaargebirge. Cris Cosmo aus Hessen besang mit Trompetenunterstützung harmlos, aber fein den „Herzschlag“, der halt so schlägt. Elektronische Klänge gab es mit dem Trude-Herr-Cover „Morgens immer müde“ von Laing aus Sachsen. Und Ich Kann Fliegen aus Niedersachsen boten mit „Mich kann nur Liebe retten“ einen – nach eigener Aussage – emotionalen Rocksong aus fremder Feder.

 

Der Bundesvision Song Contest lebt seit seinem Debüt im Februar 2005 von einem bunten Starterfeld. 2012 machte da keine Ausnahme. Schné stellten mit „Alles aus Liebe“ den Titelsong für eine Daily-Soap, die es nicht gibt. Der „Sandmann“ wurde relativ ungreifbar von Johanna Zeul besungen. Mellow Mark kuschelte sich mit „Bleib bei mir“ an Nina Maleika an und klang dabei wie schon hundert Mal gehört. Inhaltlich annähernd so nichtssagend wie der Beitrag von The Love Bülow aus Mecklenburg-Vorpommern. Doch es gab auch die kleinen Highlights: Bands und Songs, die niemand auf dem Schirm hatte, die aber durch ihre sympathische Simplizität überzeugten. Maras April aus Thüringen präsentierten ein schönes Lied, das morgen wahrscheinlich wieder vergessen ist, für den Moment aber großartig funktionierte. Die selbsternannte Außenseiterband Pickers aus Rheinland-Pfalz musizierte auch ohne Artikel in der Tradition weltbekannter „the“-Bands. Und Vierkanttretlager spielten bewaffnet mit Schifferklavier und Shanty-Chor urige Seemannsmusik.

 

Nicht woher du kommst, sondern wer du bist

 

Wo der Eurovision Song Contest antiquiert und ausgelutscht rüberkommt, ist die Bundesvision-Version frischer, zukunftsorientierter und vor allem reizvoller. Hier schieben sich die osteuropäischen Länder nicht gegenseitig die Punkte zu, feiern Spanien und Portugal keine Nachbarschaftfeste in Form von Voting-Orgien und Skandinavien bleibt in keinster Weise unter sich. Auf Bundesebene zählt nicht woher du kommst, sondern wer du bist. Klar haben Musiker mit großer Fanbase automatisch die besseren Chancen auf den Sieg, doch das letztjährige 12-Punkte-Debakel von Juli hat gezeigt, dass man auch genauso gut sein Gesicht verlieren kann.

 

In den Werbepausen pries der Pro-Sieben-Entertainment-Tipp Xavas‘ neues Album „Gespaltene Persönlichkeit“ an. Ein gutes Omen. Denn allen Buhrufen zum Trotz holten die beiden Baden-Württemberg-Vertreter mit eindeutigem Abstand den Sieg ins Ländle. Silber ging an Laing und Bronze an Ich Kann Fliegen. Krasse Ausreißer nach unten legten der König tanzt mit Platz 10 und Mellow Mark mit Platz 16 hin. Backstage wurde gejubelt, geschwitzt und geweint. Vierkanttretlager tranken.

 

Raab hat mit dem Bundesvision Song Contest einen der spannendsten Musikwettbewerbe Deutschlands geschaffen. Mittlerweile ist die Veranstaltung ein Auflauf von etablierten Musikern, die sich dem direkten Wettkampf stellen, und frischen Gesichtern, denen eine Plattform geboten wird, die hierzulande Ihresgleichen sucht. Es ist kein Wunder, dass zumindest die Zielgruppe der 14- bis 29jährigen mehr mit dem BuViSoCo anfangen kann, als mit dem großen europäischen Vorbild. Wir sehen uns definitiv nächstes Jahr in Mannheim wieder!

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.




Facebook
Instagram
Twitter
YouTube