Sexuelle Belästigung: Der Fall Weinstein betrifft uns alle

unter dem Hashtag #metoo berichten Betroffene von ihren Erfahrungen mit sexueller Belästigung

Der Fall Harvey Weinstein zeigt, wie Männer ihre Machtpositionen schamlos ausnutzen. Doch was in Hollywood passiert, geht uns alle an.

 

“Frauen die Sexuelles tun, um ihre Karriere zu pushen, machen ein Tauschgeschäft. Sich zehn Jahre später beschweren, ist lächerlich”, schrieb eine Twitter-Userin und legitimierte damit das Verhalten, das Harvey Weinstein von mehreren Frauen vorgeworfen wird. Der Hollywood-Produzent soll Geschäftstreffen ausgemacht haben, um dort Massagen einzufordern, Annäherungsversuche zu starten und vor den Frauen zu masturbieren. Opfer, die diese Anschuldigungen bestätigen, sind neben Angestellten der Weinstein Company so namhafte Schauspielerinnen wie Ashley Judd, Rose McGowan, Gwyneth Paltrow, Angelina Jolie, Cara Delevingne, Kate Beckinsale und Lena Headey.

 

Doch wie weitreichend der Horror ist, der vor, während und nach Drehschluss in Hollywood vonstatten geht, sollte erst nach den Anschuldigen gegen Weinstein ans Tageslicht kommen. Jeremy Piven, Ben Affleck, Brett Ratner, James Toback und zuletzt Kevin Spacey stehen ähnlichen Vorwürfen gegenüber und bestätigten sie zum Teil auch. In der Entertainment-Branche – und auch darüber hinaus – nutzen Männer ihre Macht, um ihre sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen. Werden diese nicht erfüllt, ist das für die Opfer meist eine doppelte Bürde. Sie werden sich ihrer eigenen Machtlosigkeit bewusst und ihre Karrieren sind im schlimmsten Fall vorbei. Begrifflichkeiten wie “Casting-Couch” oder “Karriereleiter hochschlafen” sind kein Spaß, sondern bitterer Ernst.

 

Täter haben es leichter als Opfer

 

In Hollywood scheint eine Atmosphäre vorzuherrschen, die es den Tätern leichter als den Opfern macht. Vorwürfe gegen Rapper Nelly, der sich in seinem Tourbus an einer Frau vergangen haben soll, wurden seitens des Opfers fallengelassen. In einem Brief an TMZ schrieb die Frau: “We do not live in a society where a 21 year old college student can feel safe enough to pursue criminal charges against a celebrity for an alleged rape.” Das Thema ist komplex und lässt sich nicht zwischen zwei Schlagzeilen abhaken. Opfer gibt es auf beiden Seiten. Andreas Türk und Jörg Kachelmann sind zwei nationale Beispiele, die ähnliche Beschuldigungen aushalten mussten. Obwohl sie von ihren Vorwürfen freigesprochen wurden, waren ihre Karrieren beendet. Doch was ist, wenn Nellys mutmaßliches Opfer tatsächlich vergewaltigt wurde?

 

“I like you women, but I hate you bitches”, rappte Boogie 2014 in seinem Lied “Let Me Rap”. Diese Textzeile ist problematisch, da der Musiker sich anmaßt, Frauen in seine Schubladen zu zwängen. Wer nicht seinen Vorstellungen entspricht, ist keine keine Frau, sondern ein Miststück oder noch schlimmeres. An Frauen werden allemöglichen Schablonen angesetzt, Männer prahlen hingegen mit ihren Eroberungen und zitieren Sprüche wie “Alles Schlampen außer Mutti”. Das “stärkere” Geschlecht gibt den Ton an. Natürlich gibt es auch sexuelle Gewalt von Frauen gegenüber Männern, die schrecklich ist und entsprechende Konsequenzen nach sich ziehen muss, doch die überwältigende Mehrheit der Täter ist männlich.

 

Der flapsige Spruch in der Männerumkleide

 

Männer, die aufgrund der aktuellen Entwicklungen Angst haben, dass sie selbst zu Opfern falscher Anschuldigungen werden, sollten einen Gang zurückschalten. Die Welt dreht sich nicht immer um den Mann. Momentan geht es darum, eine Ungerechtigkeit in der Gesellschaft zu beseitigen. Das ist eine gute Sache, die für alle Menschen, die in dieser Gesellschaft leben, von Vorteil ist. Denn auch Mütter, Schwestern, Ehefrauen und Töchter profitieren davon. Der flapsige Spruch, der in der Männerumkleide fällt, ist kein dummer Schuljungenwitz. Wäre sich die Welt darüber im Klaren, wäre Donald Trump heute vielleicht nicht der mächtigste Mann der Welt. Denn die Weinsteins und Trumps dieser Welt sind die Symptome der Gesellschaft, die wir alle bilden.

 

Sich gegenüber anderen Menschen korrekt zu verhalten, ist nicht schwierig. Der einfache Grundsatz, behandele Andere, wie du selbst behandelt werden möchtest, bietet meist eine verlässliche Leitplanke. Es ist zu spät, wenn Menschen erst dann lernen, Respekt vor Frauen zu haben, wenn sie selbst Töchter bekommen. Nicht nur die mächtigen Hollywood-Produzenten müssen lernen, wie ein respektvoller Umgang mit Frauen funktioniert. Auch die ottonormalen Kinogänger müssen ihr Verhalten prüfen. Die eigene Geilheit, Angetrunkenheit oder Unreife ist für unangemessenes Verhalten vielleicht eine Erklärung, aber definitiv keine Entschuldigung. Fast alle Menschen haben andere Menschen schon einmal in unangenehme Situationen gebracht. Diese Fehler einzugestehen und daraus zu lernen, ist die Lösung, um das gesellschaftliche Klima zu ändern.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.




Facebook
Instagram
Twitter
YouTube