Review: RIN – EROS

„EROS“ ist RINs Debütalbum und darauf macht der Bietigheim-Bissinger selbst dann weiter, wenn ihn die Fans anschreien, aufzuhören.

 

Innerhalb kürzester Zeit hat sich RIN in den Kinderzimmern deutschsprachiger Teenager einen Namen gemacht. Einige Kollaborationen mit The Breed und Yung Hurn und eine Single des Jahres im Juice Magazin später unterschrieb er einen Vertrag bei DIVISION, dem Zweit-Label von Selfmade-Records-Chef Elvir Omerbegovic. Für einen Typen, der 2012 mit dem Musikmachen begann und spätestens 2015 erste Ambitionen auf mehr hegte, ein absoluter Raketenstart. RIN hat verstanden, dass HipHop im Jahre 2017 für viele Hörer mehr ist, als gute Musik. Er inszeniert sich als Gesamtkunstwerk, dessen Kleiderwahl mindestens so wichtig ist wie die Wahl der Videoauskopplung.

 

Keine Poesie, sondern ein Gefühl

 

RINS Anfang September erschienenes Debütalbum hört auf den Namen „EROS“ und kann aus kommerzieller Sicht als Erfolg bezeichnet werden. Platz 3 in den deutschen, Platz 6 in den österreichischen und Platz 8 in den schweizerischen Album-Charts zeigen, dass die Menschen Geld für RINS Art übrighaben. Vermutlich weil RINs Delivery lockerer ist als die Jeans nach einer intensiven Abspeckkur. Das kommt im sonst so steifen Land der Dichter und Denker an. Nicht umsonst ist der Opener „Intro/Liebe“ ein Freestyle, der keine große Poesie, sondern vielmehr ein echtes Gefühl transportiert. Saubere Flows sind in RINs musikalischem Ansatz zweitrangig. Wenn es ins Soundbild passt, wird ein Wort wie „schämen“ unnatürlich betont und langgezogen.

 

Auto-Tune, improvisierte Texte, Type-Beats – Rap-Traditionalisten müssen „Eros“ erst einmal verdauen. Wenn sie sich aber durchgebissen haben, wird auch für sie ein dicker Batzen HipHop drin sein. So sind „Blackout“ und „Vagabundo“ astreine Kick-Snare-Sample-Kombinationen, die den Kopf zum Mitnicken bringen, als wären die Achtziger Jahre zurück. Trotz aller Stilvermischungen klingt „Eros“ wie aus einem Guss. Obwohl die Produzentenriege wild zusammengewürfelt ist, setzen Lex Lugner, Minhtendo, Bazzazian, OZ, Alexis Troy und Co. alle Stücke in einen Kontext, der von RINs Lebensstilbeschreibungen zusammengehalten wird. Ob das Ganze ein Album im klassischen Sinne, ein Mixtape oder gar eine Skizzensammlung ist, spielt dabei keine Rolle.

 

Liebe, Party und Konsum

 

Jugendliche Themen dominieren „Eros“. Liebe, Party und Konsum sind die Schlagworte, die nach dem Hören der 15 Stücke im Kopf bleiben. Ein Lifestyle zwischen Weißwein und Ecstasy, der erst dann ruiniert ist, wenn auf dem Smartphone das High-Speed-Internet gedrosselt wird. Auf „Eros“ werden Vorstadtkids zu Menschen, die der Nacht entgegenfiebern. „Sie will immer high sein, high sein / Sie will nur noch Freizeit, Freizeit“, heißt es auf „Nightlife“. Wenn RIN sich nicht gerade mit Kai Pflaume anlegt, strebt er diesen Eskapismus vermutlich auch an. Nur das ihm statt des Weißen und Grünen manchmal auch Videospiele reichen. Um die abgründigen Seiten der Nachtbuskunden dennoch zu thematisieren, berichtet RIN häufig aus der Sicht seiner Kumpels und Bekannten.

 

Sauer stößt hingegen der Skit „Arrêté“ auf. Hier beschreibt RIN den Geschlechtsverkehr mit einem Fan, der RIN anschreit, aufzuhören („Machen wir Liebe, Babe, im Bett, dann schreist du: ‚Arrêté!‘“). Anschließend erläutert der Musiker in den Strophen, dass er den Akt ohne Kondom vollführen wolle, da er seine Sexualpartnerin ja liebe („Ich benutz’ kein Gummi, denn ich liebe dich“). Diese Ekelhaftigkeit muss erst einmal verdaut werden. Sicherlich lassen die Zeilen auch eine andere Interpretation zu, doch erstens ist RIN nicht für die ausgefuchstesten Doppeldeutigkeiten bekannt und zweitens ist das Thema zu ernst, um die junge Zielgruppe im Ungewissen zu lassen. Der absolute Tiefpunkt, der ein ansonsten hervorragendes Album ruiniert.

 

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