Review: Morgen hör ich auf

Vollmundig als das „deutsche Breaking Bad“ angekündigt, ging die ZDF-Serie „Morgen hör ich auf“ mit Spott und Hohn auf Sendung. Schade, denn hinter der Dramaserie verbirgt sich eine spannende Sendung, die in Ton und Atmosphäre einmalig für eine deutsche Produktion ist.

 

Bastian Pastewka in einer ernsthaften Rolle zu sehen, ist wie Marlboro als Hauptsponsor für einen Marathon-Weltmeister. Es passt irgendwie nicht. Und so muss man sich auch an seine Rolle des verschuldeten Druckereibesitzers Jochen Lehmann in der fünfteiligen Dramaserie „Morgen hör ich auf“ gewöhnen. Die Insolvenz rückt immer näher, die Frau vögelt fremd und die Kinder leben ihre Pubertät voll aus – ein scheiß Leben eben. Da kommt ihm die Idee, in der eigenen Druckerei 50-Euro-Scheine zu fälschen, was zu Beginn hervorragend funktioniert, aber natürlich sehr schnell einen Rattenschwanz weiterer Probleme mit sich bringt. Stolze 58 Minuten hat Regisseur Martin Eigler pro Folge zur Verfügung gestellt bekommen und weiß diese auch mit Nebengeschichten zu füllen, die jeder Figur die Möglichkeit geben, sich zu entwickeln. So müssen die Töchter mit Schul- bzw. Jungsproblemen zurechtkommen, der Sohn die sprichwörtlichen Scherben nach einer Partynacht aufsammeln und die Ehefrau Affäre und Familienleben unter einen Hut bringen.

 

Unterbrochen wird die Geschichte immer wieder von kurzen Traumsequenzen, in denen kryptisch in die Zukunft geblickt wird. Das soll der Serie womöglich stilistische Tiefe geben, wirkt aber eher störend und hält das Voranschreiten der eigentlichen Story unnötig auf. Pastewka gibt sich die größte Mühe, hat für die Rolle sogar einige Pfunde purzeln lassen. Und wirklich aussetzen kann man an der Leistung des erprobten Theaterschauspielers wahrlich nichts. Er hängt sich rein, möchte den ihm vielerorts immer noch anhaftenden Brisko-Schneider-Muff abschütteln. In der Rolle des Jochen Lehmann gelingt ihm das durchaus. Doch die darstellerischen Highlights findet man in „Morgen hör ich auf“ an anderer Stelle. Georg Friedrich mimt den Kriminellen Damir Decker auf eine unberechenbar gefährliche Art und Weise, so dass sich auch beim Zuschauer Stressmomente einstellen, wenn der fiese Charakterkopf auf dem Fernsehbildschirm erscheint. Oder der von Stephan Grossmann gespielte Nachbar Enno Wevel, der wie von einem Running-Gag verfolgt, ständig sein Baby verlegt und allgemein wie das Pendant zu Jochen Lehman wirkt. Talent ist im Cast definitiv zu finden.

 

Schauplatz von „Morgen hör ich auf“ ist das knapp 30.000-Einwohner-Städtchen Friedberg nahe Frankfurt. Und das ehemalige „Army Home of Elvis Presley“ funktioniert als weiterer Nebendarsteller fantastisch. Friedberg gibt der Serie einen typisch deutschen und spießbürgerlichen Charme, der in Kombination mit der ernsten Geschichte fernab von Tatort- oder Vorabendserienromantik eine komplett eigene Stimmung schafft. Die realistische Darstellung von technischen Sachverhalten wird in vielen Fernseh- und Filmproduktionen eher stiefmütterlich behandelt. Als Mann vom Fach muss ich auch „Morgen hör ich auf“ einen Dämpfer verpassen. In ein paar Stunden an einer Zweifarben-GTO tausende Geldscheine zu drucken, ist absoluter Quatsch. Auch die anspruchsvollen Sicherheitsmerkmale, die sich auf Euroscheinen befinden, kann nicht jede Dorfdruckerei einfach mal so kopieren. Am Ende stehen natürlich der Plot und dessen Entwicklung im Vordergrund, weshalb ich an dieser Stelle schweren Druckerherzens zwei Augen zudrücke.

 

„Morgen hör ich auf“ ist nicht perfekt, keine Frage, eine deutsche Produktion auf diesem erzählerischen Niveau ist dennoch selten. Zu viele Fragen sind nach der finalen Folge „Heute hör ich auf“ jedoch offen, weshalb Freunde der Serie auf eine weitere Staffel hoffen können. Die verantwortliche ZDF-Redakteurin Elke Müller erklärte in einem Interview mit serieslyawesome.tv, dass über eine Rückkehr von Lehmann und Co. bis jetzt noch nicht entschieden wurde. Lohnen würde es sich, denn trotz starker Konkurrenz in Form des Dschungelcamps schaffte es die Serie mit Quoten von 2,78 bis 4,49 Millionen Zuschauern zu überzeugen.

 

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