Review: Martin Suter – Elefant

 

Martin Suter hat mit „Elefant“ seinen 14. Roman veröffentlicht. Ob der Autor weiße Mäuse sieht oder ein pinker Elefant den Leser durch eine nachvollziehbare Handlung trägt, kann seit dem 18. Januar dieses Jahres herausgefunden werden.

 

Die Zusammenfassung des neuen Romans von Martin Suter lässt einen erst einmal ratlos zurück. Ein lebendiger pinker Minielefant, der zu allem Überfluss auch noch im Dunkeln leuchtet, bringt das Leben eines wohnungslosen Mannes durcheinander. Handelt es sich um eine Fabel, ein Märchen oder eine Fantasy-Geschichte? Der Plot ist jedoch realer, als man es sich wünschen mag. Suter spricht im Laufe der knapp 350 Seiten ganz nebenbei die großen Fragen der Menschheit an.

 

Schoch, ein obdachloser Mann in den mittleren Jahren, glaubt zunächst an einen Streich seiner alkoholgetränkten Sinne. In der hintersten Ecke seiner als Schlafplatz dienenden Höhle entdeckt er einen zwergpudelgroßen, leuchtend pinken Elefanten. Doch Sinnestäuschungen kann man nicht anfassen und Durchfall haben sie meist auch nicht, weshalb Schoch sich zusammenreißt und sich um den kleinen Elefanten zu kümmern beginnt.

 

Kurze Kapitel, die Schoch und den Mini-Elefanten begleiten, wechseln sich mit Abschnitten ab, die nach und nach die Entstehung von Barisha – wie Schoch das kleine Wesen tauft – enthüllen. Wobei der Begriff „Entstehung“ genau den Kern der Fragen trifft, die Suter aufwirft: Wie entsteht neues Leben? Entspringt es purem Zufall oder dem planvollen Handeln eines wie auch immer gearteten Schöpfers? Hat der Mensch das Recht, in diesen Prozess einzugreifen – nur, weil er es kann? Und wem gehört eigentlich ein Lebewesen?

 

Anstelle des pinkfarbenen Elefanten hätte auch ein giftgrüner, funkensprühender Riesenwellensittich stehen können. Suter möchte anhand der grotesken Eigenschaften Barishas deutlich machen, wie größenwahnsinnig und unverantwortlich die Wissenschaft stellenweise mit lebendigen Lebewesen experimentiert. In Person von Roux, einem Schweizer Genwissenschaftler, der von Geldgier und Racheplänen getrieben vor nichts zurückschreckt, wird seine Kritik daran unmissverständlich deutlich. Dabei kommt der Roman nicht mit der Ethikkeule um die Ecke, sondern lässt den Leser durch sympathische Figuren – wie den desillusionierten, aber warmherzigen Schoch, der idealistischen Tierärztin Valerie und den weisen Elefantenversteher Kaung – nachdenklich werden.

 

„Elefant“ behandelt nicht nur elementare philosophische Themen, auch die Frage nach dem vermeintlichen Wert eines Menschen in der Gesellschaft und wie schnell sich dieser aufgrund unbeeinflussbarer Ereignisse ändern kann, wird aufgegriffen. Dies zeigt sich beispielsweise im Verhältnis zwischen Schoch und Valerie, deren ungleiche Leben sich erst durch die Begegnung mit dem kleinen Leuchttierchen miteinander verknüpfen. Auch wenn man dem Autor unterstellen könnte, es sich gerade mit dem vorhersehbaren Wohlfühlende des Romans ein wenig einfach gemacht zu haben, lohnt sich die Lektüre allein schon wegen der gut recherchierten Ausflüge in die Genmanipulation und künstliche Befruchtung. Wer sich mit den eigenen Ethikgrundsätzen auseinandersetzen möchte und sich nicht an den fast filmreif inszenierten Verfolgungsszenen stört, dem sei der Roman ans Herz gelegt.

 

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