Review: MoTrip – Embryo

 

Musik für Berufsschüler, die schon am ersten Schultag spüren, dass sie mehr wollen und deshalb niemals mit Jogginghosen im Unterricht sitzen würden.

 

„Das geht von Aachen in die Welt!“ ist der erste Satz, der auf MoTrips Debütalbum „Embryo“ fällt. An seiner Stelle würde ich mir das fast selber glauben. Denn wie hat ihn die Fachpresse gepusht, für toll befunden und in den Himmel gelobt?! Endlich ist ein intelligenter Alles-Könner mit rauer Straßenkante da. Einer, der im Alleingang eine ganz neue Ära im deutschsprachigen Rap einläuten soll. Die Last, die MoTrip auf den Schultern liegt, könnte nicht schwerer sein. „Es wäre besser vermarktbar, es wäre besser zu verkaufen, aber ich mache keine Musik, damit sie jeder hören kann“, erklärte er hiphop-jam.net kurz vor dem Release seiner Platte. Nicht unbedingt die beste Einstellung, um ein Major-Label wie Universal Music zu befriedigen, das den weltweit größten Anteil am Musikmarkt besitzt. Welchen Weg wird er also mit „Embryo“ gehen? Wie wird sich die Karriere des in Beirut geborenen Rappers entwickeln?

 

MoTrip wuchs weder mit „Enter The Wu-Tang“, noch mit „The Chronic“ auf. Er gehört vielmehr zu einer jungen Generation von Rappern, die ihre Motivation und Inspiration in Platten wie der John-Bello-Trilogie fand. Eben ein Kind der Deutschrap-Schule jenseits der 2000er Marke. Und ohne ein eigenes richtiges Release vorweisen zu können, nennt man ihn plötzlich in einem Atemzug mit „Vorbildern“ wie Kool Savas. „Lediglich“ ein YouTube-Hit, ein von Dennis Lisk verschandelter Cover-My-Song-Beitrag und erstaunlich viele Features mit der hiesigen Rap-Elite legten das Fundament für einen Deal mit Universal. Mit „Embryo“ erscheint nun seine erste vollwertige Veröffentlichung, durch die er die nächsten Schritte zum Status des Kings gehen möchte.

 

„Ich kenn ein paar Kanaken, denen die Ausdrücke zu Deutsch sind/und ein paar Deutsche, die mich haten, weil ich auch nicht richtig deutsch bin“ gibt der gebürtige Libanese auf „Kanake mit Grips“ von sich. In der Tat lässt sich MoTrip nicht so recht in eine Schublade stecken. Sein Sound versprüht eine gewisse Härte, verzichtet aber weitgehend auf Streetrap-Klischees, die bei gepflegtem Beischlaf mit deiner Mama anfangen und beim Drogengeticke der Thug-Life-tragenden McFit-Homies aufhören. Inhaltlich bewegt sich der 24jährige lieber in klassischen Gefilden und behandelt simple Inhalte wie das Rappen über Rap. Auch die eigene Positionierung in der Gesellschaft, jede Menge Durchhalte- und Durchsetzparolen oder das Erklären der eigenen Motivation gehören zum Themenspektrum des MoTrips. Und so eloquent und sympathisch wie er sich in den letzten Wochen in Interviews präsentiert hat, sind seine Texte ausgefallen. Nicht alles Gesagte wirkt zwar zu Ende gedacht und schrammt – zum Beispiel in Songs wie „Wir“ – haarscharf am Phrasengedresche vorbei, doch selbst asoziale Klopper wie „Gorilla“ haben irgendwie noch eine brauchbare Message für sich gepachtet.

 

Nüchtern betrachtet ist MoTrip kein schlechter, sogar ein ziemlich anständiger Rapper. Aber sind wir doch mal ehrlich: Der Wahl-Aachener ist beileibe nicht der talentierte Wortakrobat, zu dem er in so manchem Saftblatt erklärt wurde. Mohamed El Moussaoui, wie MoTrip mit bürgerlichem Namen heißt, kann verschachtelte Vergleiche und schöne Doppelreime zu Papier bringen, besitzt einen präzisen Flow und hat verstanden wie man Hashtags einsetzt. Auf den 17 Songs gibt es trotzdem kaum Variationen was Stimmlage und Stimmrhythmus betrifft. Auf Dauer doch etwas eintönig.

 

Zum Glück ist MoTrip in der Lage, seinen Songs unverkennbare Hooklines zu verpassen. Stücke wie „Die Frage ist wann“, „Kennen“, „Schreiben, schreiben“ oder „Triptheorie/Meine Rhymes & ich“ leben von Kehrversen, die sich im Ohr festsetzen und steckenbleiben wie ein zu großes Q-Tip. Nicht weil er die Freundin des besten Freundes zum Einsingen von kitschigen Kalendersprüchen geladen hat, sondern weil er eingängige, perfekt auf den Beat geschriebene, Vierzeiler auf pompösen – zum Teil wie von einer Band eingespielt klingenden – Instrumentalen parkt.

 

Was an „Embryo“ – laut Marsimoto – nun die Szene spalten soll, weiß ich zwar nicht, aber ein kohärenteres und qualitativ hochwertigeres Debüt haben andere „Nachwuchsrapper“ so eher selten auf CD gebannt. Das Album mit dem Intro zu beenden ist in diesem Falle nur konsequent. Denn „Embryo“ soll noch lange nicht das Ende einer Karriere sein, die nun zumindest einen gehörigen Schnellstart erfahren hat. Langfristig könnte das wirklich etwas werden!

 

2 Comments

  1. seit donnerstag weiss ich auch was “#” und rap gemein haben.

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  1. 2012 – Der große Jahresrückblick – like it is '93 // das Popkultur-Magazin

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