Review: Kettcar – Zwischen den Runden

„Heutzutage sind deutsche Texte schwieriger, weil viele Motive ausgelutschter rüberkommen. Man erkennt schnell alles wieder, was andere auch schon gemacht haben“, diktierte Kettcar-Sänger Marcus Wiebusch im Februar den Kollegen von brash.de in das Aufnahmegerät. Das klingt nach einem Künstler, der sich bewusst ist, was für eine Herausforderung hinter dem Texten einer deutschsprachigen fünfzehn Lieder starken Platte steckt. Auf ihrem mittlerweile vierten Album „Zwischen den Runden“ beweist das Flaggschiff von Grand Hotel van Cleef trotzdem wieder, warum nicht nur sinnsuchende Hamburger Studenten mit Jutetasche und Semesterticket ihre Platten mögen sollten.

 

Im Grunde machen die fünf Gitarrenpopmusiker auf „Zwischen den Runden“, was sie auch schon auf ihren Vorgängeralben gemacht haben. Schöne kleine Lieder, die in den richtigen Momenten ausbrechen und alles mitreißen können. Wo andere die Pathos-Keule schwingen, verzichten Kettcar auf textliche Emotionalitäten und lassen lieber die Streicher für sich sprechen. Stücke wie „Schrilles, buntes Hamburg“ behandeln die Veränderungen einer Großstadt durch Kulturausbeutung, „Im Club“ ist die Hymne für versagende Alleskönner, „Rettung“ eine Hommage an die Liebe und „Kommt ein Mann in die Bar“ der Wunsch nach mehr Erfolg und Sicherheit im Leben. Eben alles beim Alten im Hause Kettcar. Bodenständige Musik über ein Leben, das gut ist, an der einen oder anderen Stelle aber auch ruhig etwas mehr Schokoladeneis vertragen könnte.

 

Wenn van-Cleef-Homeboy Thees Uhlmann „das Mädchen von Kasse 2“ besingt, schwingt immer ein Fünkchen kindliche Begeisterung für das, was er da erzählt, mit. Bei Kettcar ist die zwar auch vorhanden, doch hat man bei denen eher das Gefühl, es mit Menschen zu tun zu haben, die sich von den Begebenheiten des Lebens eher weniger vom Hocker reißen lassen. Liebe ist gut, wenn sie denn mal funktioniert. Bis dahin wird halt mit einer geigengeschwängerten Sehnsucht durch die Straßen der Stadt geschlendert.

 

Marcus Wiebusch und Reimer Bustorff, die sich beim Verfassen der Lyrics abwechseln, schreiben ihre Texte nach wie vor mit dieser Melancholie, in die man versinkt, wenn man bei Sonnenaufgang leicht angeschwippst nach Hause läuft. Mit einem teilweise zurückhaltenden Pathos, der manchmal auch der Schülerband vom Friedrich-Ebert-Gymnasium um die Ecke stehen würde. Das Ganze wirkt trotz so viel Jugendlichkeit unfassbar erwachsen. Wenn Wiebusch zum Beispiel auf „Zurück aus Ohlsdorf“ von der Beerdigung eines alten Kumpels berichtet, den er schon vor langer Zeit aus den Augen verloren hat, schwingt nicht nur Trauer mit, sondern auch Wut darüber, dass er sich aus reinem Desinteresse nicht mehr bei ihm gemeldet hat. Wiebusch bringt seine Erinnerung nüchtern und gerade deshalb dermaßen bedrückend auf den Punkt.

 

Kettcar-Texte sind keine Zitatesammlung. Einzelne Textpassagen funktionieren selten, wenn man sie aus dem Kontext reißt. Auch musikalisch waren die Wahl-Hamburger noch nie eine Single-Band. Klar, einzelne Songs gehen gut ins Ohr und werden auch in den Grooveshark-Playlisten einiger verwirrter Internet-User auftauchen, doch erst im Rahmen des kompletten Albums funktioniert wirklich jeder Song. Auch wenn man Kettcar eher als Text-fokussierte Band sieht, bedarf es gerade deshalb einer adäquaten instrumentalen Seite, um diesen Aspekt optimal in Szene zu setzen. Mit Gitarre, Bass, Keyboard und Schlagzeug wird der Sprache eine Plattform geboten, die zwar im Mainstream angekommen ist, der man aber auch ihre Punk-Sozialisation anhören kann.

 

Kettcar bringen ein tolles Gefühl rüber. Dieses verträumte Hafenstadtfeeling, von dem man nicht genug bekommt, wenn es einen erst ergriffen hat. Am liebsten würde man sofort seine Fotos, die alten Platten, das liebste T-Shirt und das letzte Geld einpacken und in Hamburg noch einmal neu anfangen. Das Hamburger Abendblatt schrieb in einem Artikel über ein Konzert der fünf Musiker bezeichnenderweise: „Nach ‚Schrilles, buntes Hamburg‘ und ‚Landungsbrücken raus‘ war Schluss. Wie es wohl ist, diese Songs im Süden zu spielen?“ Als Stuttgarter kann ich sagen, es wird funktionieren.

 

1 Comments

  1. dieser wiebusch ist ein fies attraktiver mann.
    einmal live erleben dürfen die jungs, mit der hansenband auf deren vorletzter show. wunderbar wars.

1 Trackbacks & Pingbacks

  1. 2012 – Der große Jahresrückblick – like it is '93 // das Popkultur-Magazin

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