Geschichten aus dem Schulsport – Teil 6: Sportlehrer

Sie geben die Anweisungen, die Schüler laufen: Sportlehrer!

Dicke Kinder beim Sprinten, Nichtschwimmer im Schwimmerbecken und das Mannschaftswählen aka der Popularitätswettbewerb – Schulsport ist Horror. In der Reihe „Geschichten aus dem Schulsport“ berichten wir über den Wahnsinn in deutschen Turnhallen.

 

Es war der Morgen des 12. September 2001. Auf dem Stundenplan stand eine Doppelstunde Sport. Somit hatte unser Sportlehrer die undankbare Aufgabe, mit einer pubertierenden achten Jahrgangsstufe über die schrecklichen Anschläge in den USA zu sprechen. Statt uns die Sorgen zu nehmen oder über mögliche Folgen zu sprechen, entschied er sich, seinen Lehrplan zu ignorieren und uns zwei Stunden Fußballspielen zu lassen. Für einen Fußballmuffel wie mich hörte der Schrecken auch am 12. September nicht auf.

 

Die Schüler vorturnen lassen

 

Sportlehrer nehmen aus Schülersicht eine besondere Stellung innerhalb der Begabungsfächer ein. Sie sind die Alphafrauchen und -männchen unter den Lehrern. Sie müssen nicht den Pinsel oder den Geigenbogen schwingen, denn sie können rennen. Schulsport stellt die coolen, weil sportlichen Schüler auf ein Podest. Der Sportlehrer baut ihnen dieses. Denn er hat eine Macht, die nicht unterschätzt werden darf. Mit der einfachen Ansage, ob das Reck oder die Tore aufgebaut werden sollen, kann er die Stimmung ganzer Klassen beeinflussen.

 

„Wenn einer an die Pädagogische Hochschule kommt und nur Fußball spielen kann, wird er vielleicht mit Hängen und Würgen die Schwimm- und Turnprüfung schaffen, später im Unterricht aber überwiegend Fußball spielen lassen“, beschwerte sich Heinz Janalik – Präsident des Nordbadischen Sportbunds – im Interview mit den Stuttgarter Nachrichten über schlechte Sportlehrer. Einen solchen Lehrer durfte auch ich in meiner Zeit am Gymnasium erleben. Statt sich die Hände selbst mit Magnesia schmutzig zu machen, ließ er seine Starschüler vorturnen.

 

Mit Völkerball gegen schlechte Mathetests

 

Viele meiner Mitschüler hatten ein gutes, fast schon kumpelhaftes Verhältnis zu unserem Sportlehrer. Mit dem Fuß-, Hand- oder Basketball gab es gemeinsame Interessen, die gemeinsam ausgeführt werden konnten. Wenn der Mathematiktest herunterzog, holte der Sportlehrer mit einer Runde Völkerball alle wieder ab. Ungünstig war er es nur dann, wenn der Lehrer nicht nur Sport, sondern auch ein weiteres Fach unterrichtete. Ich selbst hatte diesen Fall mit Herrn S., dem wir erst einen Korbleger und anschließend unsere Deutschkenntnisse präsentieren mussten.

 

Herrn S. reichte die Fünfminutenpause nie für einen Kleiderwechsel. So stand er mit grünblauem Trainingsanzug vor meiner Klasse und fragte: „Was wollte uns Gottfried Keller mit ‚Kleider machen Leute‘ sagen?“ Wir – die wir uns nach dem Sportunterricht mit einer ordentlichen Deodusche erfrischten – hatten kein Verständnis für die Kleiderwahl unseres Deutsch- beziehungsweise Sportlehrers. „Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren“, zitierten wir Karl Lagerfeld und freuten uns über die sportlichen Pädagogen, die einen ganz speziellen Platz in den Herzen der Schüler einnehmen.

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