Review: Bauernopfer – Spiel der Könige

Bringt die Läufer, Springer und Türme in Stellung, denn das Kino ruft: Bobby Fischers Biopic „Bauernopfer – Spiel der Könige“ ist nun auch in Deutschland angelaufen.

 

Nachdem der Film unter dem Originaltitel „Pawn Sacrifice“ bereits 2014 auf unterschiedlichen Festivals gezeigt wurde und 2015 offiziell in den US-amerikanischen Lichtspielhäusern anlief, können Interessierte nun auch in Deutschland seit Mitte April in den Genuss des biographischen Dramas rund um den Schachspieler Bobby Fischer kommen. Hierzulande heißt der knapp zweistündige Streifen, dessen Haupthandlung sich zum Großteil um die Schachweltmeisterschaften von 1972 dreht, in der Fischer gegen den russischen Großmeister Boris Spassky antrat, eins zu eins übersetzt „Bauernopfer – Spiel der Könige“. Regisseur Edward Zwick wollte mit dem Titel auf die Situation im Kalten Krieg anspielen, in dem Menschen wie Fischer und Spassky von Regierungen vorgeschickt wurden, um Schlachten für sie auszutragen.

 

Tobey Maguire hat sich mit der Rolle des Bobby Fischer einen echten Gefallen getan und spielt entsprechend überzeugend. Fischer entwickelt sich im Laufe des Films von einem hochintelligenten Kind zu einem psychotischen Wrack, das überall Verschwörungen und Hinterhalte erkennen möchte. Die Geschichte des echten Fischers ist wahrlich tragisch. Bis Mitte der Siebziger Jahre wurde er viermal Schachweltmeister, fiel dann aber in ein tiefes Loch, aus dem er es bis zu seinem Tod Anfang 2008 nicht mehr heraus schaffte. Häufig ohne festen Wohnsitz streifte er durch die Welt und geriet mit idiotische Aussagen – beispielsweise über die Terroranschläge vom 11. September – in die Schlagzeilen. 2004 wurde er wegen Steuerhinterziehung festgenommen, erhielt ein Jahr später jedoch die isländische Staatsbürgerschaft und setzte sich mit seiner Frau in Reykjavík zur Ruhe. „Bauernopfer“ klammert all dies – bis auf eine Zusammenfassung im Abspann – aus und konzentriert sich voll und ganz auf „das Match des Jahrhunderts“ gegen Boris Spassky von 1972.

 

Fischers Hofstaat hilft dem Film

 

Neben den persönlichen Problemen Fischers stehen im Film die Auseinandersetzung zwischen den USA und der Sowjetunion in Zeiten des Kalten Krieges sowie das Schachspiel, das sich in den Siebzigern Jahren auf einem Popularitätshöhepunkt befand, im Mittelpunkt. Eigentlich genug Stoff, um einen mehrstündigen Brocken von Film zu schaffen, der eine Geschichte von den Ausmaßen eines „Forrest Gump“ spannen könnte. Leider wird schnell klar, dass die Figurenkonstellation hierfür nicht genug Fleisch bietet. Nicht umsonst muss mit Évelyne Brochu in der Rolle der Donna eine Figur eingeführt werden, die die Geschichte kein Stück voranbringt, jedoch für fünf Minuten als Bobbys Love Interest mit den Brüsten wackeln darf. Gegenspieler Boris Spassky wird von Liev Schreiber gemimt und wirkt so nahbar wie ein Eisberg. Gut, hier kann mit der kühlen Fassade des undurchschaubaren Schachspielers argumentiert werden, der in einer herrlichen Stuhlszene dann doch die Nerven verliert, wirklich nah geht einem der sowjetische Antagonist trotzdem nicht.

 

Da ist Fischers Hofstaat rund um William Lombardy (Peter Sarsgaard) und Paul Marshall (Michael Stuhlbarg) schon deutlich interessanter. Sarsgaard spielt den sympathischen Ex-Schachspieler Lombardy, der Priester geworden ist und Bobby Fischer nun als Berater und Sparring-Partner zur Seite steht. Eine Figur, die – abgesehen von der am Rande auftretenden Schwester Joan Fischer (Lily Rabe) – wohl die einzige sympathische im Film ist. Stuhlbarg darf als Anwalt und Manager Paul Marshall die psychotischen Anfälle Fischers ausbaden und muss immer wieder springen und sich verrenken, damit sein Klient die Wünsche erfüllt bekommt, die eine weitere Teilnahme an Turnieren gewährleisten. Weshalb Marshall auf den Plan trat, um Fischer zu unterstützen, wird im Film nicht klar. Er ist halt einfach da wie eine Schnupfnase im Winter. Leider trägt dieser Cast nicht dazu bei, dass man sich auf eine der beiden Seiten schlagen möchte. Wirklich liebenswert ist nämlich keines der Teams, weshalb Spannung im finalen Match, nur leidlich entsteht.

 

Wo ist die Faszination am Spiel?

 

Regisseur Edward Zwick schafft es nur bedingt, die Faszination und Schönheit des Schachspiels in nachvollziehbare Bilder zu packen. Visuelle Effekte wie zu Beginn des Filmes – um zu verdeutlichen, mit welchem Talent Fischer gesegnet war – wären auch während der Matches sinnig gewesen. So wie es im guten alten Telekolleg gang und gäbe war, hätte man mit Grafiken arbeiten können, die aufzeigen, was eigentlich gerade auf dem Brett geschieht und warum Menschen wie Fischer, Spassky und Lombardy so geniale Köpfe sind. Denn als Laie hat man kaum eine Chance, bei einer Fachsimpelei auf derartigem Niveau mitzukommen. Stattdessen wirft uns der Film die Genialität der Figuren vor die Füße und wir müssen es bereitwillig glauben. Bestes Beispiel sind die auf rein gedanklicher Ebene stattfindenden Trainings-Matches zwischen Fischer und Lombardy, die erst einmal tierisch Eindruck machen, aber im Endeffekt nichts weiter sind, als einfach erzeugte Effekthascherei.

 

Möchte man ganz gemein sein, könnte man sagen, dass es in „Bauernopfer“ um Schach geht, das Spiel dabei aber nicht wirklich ergründet wird. Doch gemein sein, wird diesem Film auch nicht gerecht. Dafür macht er trotz einiger Fehler bzw. ungenutzter Chancen zu viel Spaß. Krankheitsbedingte Anfälle Fischers werden durch den Einsatz spezieller Objektive, Kameraschwenks und Wackler unangenehm gut inszeniert, mit Szenen wie der bereits angesprochenen, in der Spassky seinen Stuhl auf Wanzen untersucht, wird ein wenig Humor eingestreut und per perfekt ausgewähltem Soundtrack werden Momente wie der erste Sieg gegen Spassky hervorragend unterstrichen. Auch die russischen Spieler tatsächlich russisch sprechen zu lassen und auf Untertitel zurückzugreifen, war eine bessere Entscheidung als auf Synchronisation samt peinlich-rassistischem Akzent zu setzen. „Bauernopfer – Spiel der Könige“ ist bei aller Kritik ein toller Film geworden, der den Zuschauer in eine Zeit entführt, in der man mit einem Brettspiel noch Kriege führen konnte.

 

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