Review: Anti-Flag – American Fall

Anti-Flag feiern mit “American Fall” Donald Trumps einjähriges Jubiläum als US-Präsident. Parallel stapelt dieser im Oval Office die Dollarbündel zu einem Totenkopf.

 

Anti-Flag sind der Inbegriff des Politpunks. Dabei beschäftigen sich die vier Pittsburgher nicht nur inhaltlich mit den Missständen dieser Welt. Im Laufe ihrer fast dreißigjährigen Bandgeschichte haben sie sich von Amnesty International bis Greenpeace für die unterschiedlichsten Organisationen engagiert, Konzerte auf unzähligen Demonstrationen und Protesten gespielt und mit The Underground Action Alliance, The Bright Lights und Military Free Zone eigene Aktivistengruppen gegründet. Die Liste hört an dieser Stelle nicht auf. Sie wird viel eher im Wochentakt um neue Aktionen erweitert. Auf „American Spring“ von 2015 folgt mit „American Fall“ aber erst einmal das zehnte Studioalbum. Denn die Zeiten für neue Anti-Flag-Musik könnten leider nicht besser sein.

 

Entsprechend aggressiv eröffnet Sänger Justin Sane die Platte mit einem Kampfschrei, den von Texas bis North Dakota alle hören sollen. „I got that gun, got that drug, I got everything you want“, werden die Ablenkungen des amerikanischen Lebensstils auf dem Opener “American Attraction” aufgezählt. Der amerikanische Traum in allen Ehren, aber die Ungleichheit in der Gesellschaft ist nicht mehr zu leugnen. Sich darüber bewusst zu werden, ist das Ziel. Der Fokus muss auf die Ungerechtigkeiten des Systems gelenkt werden. Nicht das „Die und Wir“, sondern das gemeinsame Vorgehen gegen Verfehlungen ist die Lösung. „United they fall“, steht nicht umsonst in dicken Buchstaben auf der ersten Seite des Booklets.

 

Inhaltlich halten sich Anti-Flag nicht mit komplizierten Metaphern und Vergleichen auf. Was scheiße ist, wird als scheiße bezeichnet: „You fly the flag of the confederacy / You say to celebrate your history / The South was fighting to save slavery / To preserve and protect white supremacy“, heißt es auf dem eindeutig betitelten “Racists”. Die Zeiten, sich in der eigenen, ach so intellektuellen Blase sicher zu fühlen, sind vorbei. Niemand kann sich mehr darum drücken, den Mund aufzumachen. Anti-Flag waren schon immer so. Und es ist auch keine Überraschung, dass sich musikalisch nichts geändert hat. „Oh oh oh“-Mitsingpassagen treffen auf Ohrwurm-Hooks und ergeben zwei- bis dreiminütige Punkrocksongs, zu denen Donald Trump sein einjähriges Jubiläum sicherlich nicht feiern wird.

 

Anti-Flag kommen ihrem Bildungsauftrag im doppelten Sinne nach. Nicht nur die Musik bekennt eindeutig Farbe, auch das Booklet ist mit Texterläuterungen und zusätzlichen Informationen – in diesem Falle zur weltweiten Verbreitung des Sturmgewehrs AK-47 – bestückt. Musik soll Spaß machen und das schaffen Anti-Flag mit eingängigen Refrains und treibenden Gitarrensounds. Richtig gut wird Musik aber erst dann, wenn sie auch über einen schweißtreibenden Konzertabend hinaus funktioniert. „American Fall“ ist eines der wichtigsten Anti-Flag-Alben. Das liegt aber nicht an der musikalischen Innovation, die es schlichtweg nicht gibt, sondern an der Zeit, in der die Platte erschienen ist. Elf stampfende Punkrocksongs, die euch zur nächsten Demo peitschen.

 

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