Kurz & knapp #53: Pillath, Meek Mill, Gorillaz, Flint Town, GLOW…
So viele Neuerscheinungen und so wenig Zeit, all diese Platten, Filme, Spiele und Comics ausführlich zu behandeln. Im Format “Kurz & knapp” bringen wir es daher auf den Punkt. Dieses Mal dabei: Petal, The Fur Coats, Pillath, Meek Mill, Gorillaz, Muncie Girls, TK Kravitz, Self Defense Family, The Boys You Know, I Kill Giants, Flint Town & GLOW.
Von den ersten Songs auf „Magic Gone“ sollte sich niemand täuschen lassen. Petal aus Pennsylvania geht bedächtig zur Sache. Das Rockige, das Songs wie „Better Than You“ und „Tightrope“ im Ansatz versprühen, wird durch die acht darauffolgenden Songs mit Melancholie ergänzt. Mit großer Stimme zaubert die Musikerin kleine Hits, die oft nicht mehr als eine Gitarre brauchen, um verdammt mächtig zu wirken. +++ The Fur Coats machen patenten Psych-Soul-Pop, der auf ihrer “Mirror Gazing EP” durchgängig überzeugt. Die aus Portland stammende Band pendelt sich irgendwo zwischen Prince und Classic Rock ein. Die Gitarren spielen sich dabei nie in den Vordergrund und geben dem Gesang den Raum, um mit Funki- und Sexyness zu überzeugen. Fünf Tracks, die gefühlt alles können. +++ 2016 feierte Pillath den Rücktritt vom Rücktritt. Der zweite Abschied scheint nun bevorzustehen: „Ich kam aus Spaß zurück ins Game und glaub’, ich geh’ wieder“, heißt es im Outro von „Ein Onkel von Welt“. Das Album wäre zumindest der gelungene Schlusssatz eines Rappers, der sich in den letzten drei Jahren treu blieb. Viele halten die unzähligen Wie-Vergleiche und die ruhrpottische Proll-Attitüde für langweilig. Ebenso viele schwören darauf. Die Wahrheit liegt wie immer irgendwo in der Mitte. Pillath traut sich mit „Ruhe in Frieden“ aus seiner Wohlfühlzone heraus und liefert ein zeitgemäßes Autotune-Experiment ab. „Sie hat einen Schwanz“ ist hingegen die wenig lustige „Frau entpuppt sich als Mann“-Sau, die im Jahre 2018 nun wirklich nicht mehr durchs Dorf getrieben werden muss. Pillath hat für den Geschmack seiner Anhänger trotzdem abgeliefert. Sollte nun wieder Schluss sein, kann er auf eine fast makellose zweite Rap-Karriere zurückblicken.
Mit „Legends of the Summer“ liefert Meek Mill die erste Platte seit seiner Gefängnisentlassung im April ab. Den vier darauf enthaltenen Tracks ist die Stimmung über die von vielen Seiten als unfair empfundene Inhaftierung anzuhören. Allen voran „Stay Woke“ geht mit den US-amerikanischen Justizsystem, das von Polizeigewalt und Masseneinkerkerungen lebt, hart ins Gericht. „They was screaming ‘Free Meek!’ / Now Meek free, judge tryna hold me”, gibt sich Meek auf „Millidelphia“ entsprechend triumphierend. Diese EP ist das würdige Dankeschön an eine Fanbase, ohne die es für den Rapper sicherlich nicht leichter gewesen wäre. +++ Schon rund um das Release von „Humanz“ erklärte Damon Albarn, nicht noch einmal sieben Jahre bis zum nächsten Gorillaz-Album warten zu wollen. Und er hielt sich an sein Geschwätz von gestern. „The Now Now“ steht bereits ein gutes Jahr später in den (digitalen) Plattenregalen. Das Album wirkt in sich geschlossener als sein Vorgänger. Das macht sich vor allem in der Tracklist von gerade einmal elf klanglich zusammenhängenden Songs und der stark heruntergedampften Gästeliste bemerkbar. „The Now Now“ funktioniert als Gesamtwerk hervorragend, lässt aber Highlights vermissen. So geht die Platte trotz aller Qualitäten wohl nur als blasses Zwischendurchalbum in die Bandgeschichte ein. +++ Nach dem Punkrock-Geheimtipp „From Caplan To Belsize“ von 2016 legen Muncie Girls mit „Fixed Ideals“ nach. Wer sich bereits vor zwei Jahren in das Trio verschossen hat, wird auch mit der neuen Platte wieder Schmetterlinge im Baum verspüren. Die 13 Stücke decken musikalisch zwar so harmlose Adjektive wie frech und süß ab, zeigen aber spätestens auf der inhaltlichen Ebene Kante. Es geht darum, den inneren Schweinehund zu überwinden und das dumme Geschwätz anderer zu ignorieren. „Fixed Ideals“ überzeugt mit sauber gespielter Rockmusik, die zwar nach Melodien Ausschau hält, die ganz großen Ohrwurmrefrains aber auslässt.
Als ehemaliges Mitglied des erfolgreichen Duos TK-N-Cash hat TK Kravitz gelernt, wie Hits funktionieren. Auf seinem neuen Mixtape „2.0“ beweist der aus Atlanta stammende Rapper/Sänger dies erneut. Die zwölf Stücke eignen sich mit ihren fließenden Übergängen aus Rap und R’n’B gerade für nebelige Morgenstunden, in denen sich die Welt im Halbschlaf zur Kaffeemaschine quält. Doch der entspannte Klang von „2.0“ täuscht nicht darüber hinweg, dass sich TK inhaltlich weniger entspannte Gedanken macht: „They tryna fuck, I’m tryna love you“, singt er sich auf „Win“ die Enttäuschung gegenüber seiner Herzensdame von der Seele. Spärlich eingestreute Features von 2 Chainz, YoungBoy Never Broke Again, Keke Palmer und Jacquees runden eine Veröffentlichung ab, die aus dem R’n’B-Einheitsbrei heraussticht. +++ „Have You Considered Punk Music“ von Self Defense Family klingt, als hätte sich Frontmann Patrick Kindlon in Alaska verkrochen, nachdem er wochenlang mit dem Rest des Kollektivs Songs schrieb. Moment, genauso ist es tatsächlich gelaufen. Fetzen von Gitarren- und Pianoklängen füllen die zehn Post-Rock-Stücke. Kindlon möchte nicht richtig dazu singen. Er spricht lieber. Und genau deshalb verbreitet „Have You Considered Punk Music“ eine Stimmung, die großartig einnehmend ist, aber definitiv nicht in den Sommer passt. +++ Irgendwas zwischen Folk und Indie spielen The Boys You Know auf ihrem vierten Studioalbum „Two Lines That Never Touch“. Und obwohl die sechs Österreicher mit einer akustischen Leichtigkeit überzeugen, machen sie immer dann am meisten Spaß, wenn sie unterstützt von Trompete so richtig aufdrehen. Vergleiche mit Guided by Voices oder Pavement müssen sich The Boys You Know gefallen lassen. Mit diesem dennoch eigenständigen Album auf der Habenseite sollte das aber unbedingt als Kompliment verstanden werden.
Um vor den tragischen Ereignissen in ihrem Leben zu flüchten, taucht Schulmädchen Barbara in eine selbsterschaffene Fantasiewelt ein. Nur dort weiß sie sich gegen Mobbing und Zukunftsängste zur Wehr zu setzen. Die Realität holt sie jedoch schnell ein und Barbara muss mithilfe ihrer besten Freundin und einer Schulpsychologin lernen, dass Flucht keine Lösung ist. I Kill Giants vermischt Elemente des Coming-of-Age- und Fantasy-Genres. Was Barbara zu schaffen macht, wird in Form von riesigen Monstern dargestellt, die sie in ihrer zusammengesponnenen Welt bekämpfen muss. Die Stilkreuzung wirkt teilweise an den Haaren herbeigezogen, gibt dem traurigen Thema aber dennoch einen Rahmen, der zu außergewöhnlichen Szenen führt. Besonders hervorzuheben sind die Leistungen der Kinderdarstellerinnen Madison Wolfe und Sydney Wade. „I Kill Giants“ erscheint in Deutschland ausschließlich als Direct-to-DVD-Release. +++ Mit Flint Town dokumentiert Netflix die Polizeiarbeit in der titelgebenden Stadt nahe Detroit. Armut, eine hohe Kriminalitätsrate und verschmutzte Wasserleitungen haben die über 100.000 Einwohner fest im Griff. In diesem apokalyptischen Szenario werden unterschiedliche Polizisten auf ihre spannend und bildgewaltig inszenierten Einsätze begleitet. Aber auch das Treiben hinter den Kulissen der chronisch unterbesetzten Reviere spielt eine wichtige Rolle. Themen wie Hautfarbenkonflikte, Polizeigewalt und die Überlastung der Beamten werden von beiden Seiten beleuchtet. Dadurch wirbt die achtteilige Dokumentationsreihe in all dem Wahnsinn für ein Mit- statt ein Gegeneinander. +++ Die Glocke kann wieder geläutet werden, denn Netflix hat eine zweite Staffel von GLOW in den Ring geschickt. Und die konzentriert sich – im Vergleich zur ersten Season – weniger auf die Privatprobleme der Wrestlerinnen. Vielmehr liegt der Fokus auf dem Entstehungsprozess der Fernsehshow „Gorgeous Ladies of Wrestling“. Männliches Machtgehabe, Quotendruck und perverse Fans sind die Themen, mit denen Alison Brie in der Rolle der Ruth ringen muss. Als Statement auf die heutige Zeit funktioniert das hervorragend. Leider entfaltet das Szenario im zweiten Anlauf nicht mehr den Reiz der ersten Staffel.
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