Popkultur in China: Zwischen Verbot und Mutterlandsliebe

Zensur in China: Auch die Popkultur leidet darunter

Mit der Zensur von Hip-Hop-Musik sorgt China derzeit für Aufregung. Doch das ist nichts Neues. China zensiert popkulturelle Inhalte seit fast sieben Dekaden.

 

„Day by day your pussy say my name“, rappt PG One in seinem Lied “Number One”. Ein paar Zeilen später macht er noch einmal deutlich: “PG motherfucking One, collecting dollars like you never can!“ Das ist inhaltlich so einfallsreich wie provozierend – nämlich gar nicht. In Deutschland würde PG One damit vermutlich so viel Aufsehen erregen wie ein weiterer Kleinstadtganove, der dank Auto-Tune-Effekt das Singen für sich entdeckt hat. Nun ist PG Ones Lebensmittelpunkt aber nicht die deutsche Provinz, sondern das bevölkerungsreichste Land der Erde. Und in China sind Texte dieser Art so unerwünscht, dass nicht nur PG One, sondern das komplette Hip-Hop-Genre unter Zensur leidet.

 

„Long live the motherland“

 

Die Nachrichtenagentur Xinhua erklärte Ende 2017, dass PG One keine öffentliche Bühne zustehe. Weitere Medien schlossen sich dieser Forderung an. Songs des Rappers verschwanden aus dem Netz und eine Entschuldigung für die angeblich frauenverachtenden und drogenverherrlichenden Texte wurde erzwungen. Dabei sah PG Ones Zukunft so vielversprechend aus. Im September 2017 teilte er sich zusammen mit GAI den ersten Platz bei der Fernsehshow „The Rap of China“. Und das mit enormem Zuspruch der chinesischen Bevölkerung. Die erste Episode wurde online innerhalb der ersten vier Stunden 100 Millionen Mal geschaut. Hip-Hop erreichte den Mainstream und Teilnehmer wie PG One und BrAnT B erhielten Plattenverträge.

 

Genau das scheint der politischen Führung ein Dorn im Auge zu sein. Inhalte, die sich an westlicher Musik orientieren und das schnelle Leben in den Mittelpunkt stellen, kollidieren mit den Wertevorstellungen der Kommunistischen Partei Chinas. Auch sein „Rap of China“-Kollege GAI leidet unter der Zensur. Um schlimmeren Restriktionen vorzubeugen, freestylte er während einer Live-Performance „long live the motherland“. So viel Mutterlandsliebe hat ihn nicht davor bewahrt, bei der populären Fernsehshow „The Singer“ rausgeschmissen zu werden. Andere Rapper reagierten und begannen damit, ihre Texte umzuschreiben.

 

Taylor Swift kämpft mit chinesischer Zensur

 

Zensur ist in China kein neues Phänomen. Wenn popkulturelle Inhalte nicht in das Weltbild der Partei passen, wird staatlich kontrolliert und im schlimmsten Falle verboten. So veröffentlichte das Kulturministerium 2015 eine Liste mit 120 Liedern, die aus dem Verkauf gezogen werden mussten. Die meisten von ihnen waren Rap-Songs, die angeblich chauvinistische und partyorientierte Texte beinhalten. Hip-Hop ist aber nicht das einzige Genre, das um seine Existenz in China fürchten muss. Kaum eine Musikrichtung wurde in den letzten sieben Dekaden nicht Opfer von Beschneidungen. Seit dem Amtsantritt von Staats- und Parteichef Xi Jinping hat sich die Situation noch einmal verschärft. Dass die Medien zuallererst der Partei zu dienen haben, ist ein Grundsatz, den er vehement vertritt.

 

Das betrifft auch Künstler, die nicht aus China stammen, ihre Kunst den 1,4 Milliarden Einwohnern aber zugänglich machen möchten. 2017 wurde Justin Bieber aufgrund seines „nicht angemessenen“ Verhaltens verboten in China zu touren. Megadeth durften bei ihrer allerersten China-Show im Jahre 2015 den Song „Holy Wars… The Punishment Due“ nicht spielen. Akons Singles „Smack That“ und „I Wanna Love You“ waren zwar im Rest der Welt große Hits, passten aber so gar nicht zu den Moralvorstellungen der chinesischen Behörden. Und sogar Taylor Swift fiel negativ auf, da der Titel ihres Albums „1989“ an eine blutige Niederschlagung von prodemokratischen Protesten im Jahre 1989 erinnert.

 

Chinesische Zensur im Westen

 

Diese Situation ist nicht nur für die chinesische Bevölkerung eine Zumutung. Derartige Zensuren haben auch Auswirkungen auf die restliche Welt. Als bevölkerungsreichstes Land der Erde besitzt China einen Einfluss, dem sich westliche Unternehmen häufig beugen, um eine Chance auf dem dortigen Markt zu haben. Konkret heißt das, dass die ausländische Filmindustrie beispielsweise verstärkt auf jugendfreie Film setzt, auf Geschichten mit übernatürlichen Inhalten verzichtet, Gewaltdarstellungen zurückschraubt und China mit Sicherheit nicht in einem schlechten Licht darstellen wird. Damit werden Filme von vorneherein angepasst und somit einer stillen Zensur unterzogen.

 

Die Motivation der Einen ist die Sicherung der politischen Macht, die Motivation der Anderen das Füllen des Geldbeutels. „Collecting dollars like you never can”, scheint in den Chefetagen der Filmindustrie ein gängiges Motto zu sein. PG One macht sich derzeit sicherlich andere Gedanken. Ob die Musikkarriere des Rappers tatsächlich beendet ist, wird die Zeit zeigen. Hip-Hop als Stilmittel ist in China hoffentlich noch lange nicht am Ende. „They want to curb hip hop because this culture could inspire people’s sense of resistance“, erklärte der chinesische Rapper Da Wei Anfang 2018 in einem Interview. Bleibt zu hoffen, dass Popkultur in China wirklich etwas bewirken wird – im Denken und im Handeln.

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