9/11 – Wie ich den schrecklichen Tag erlebte

Heute vor 15 Jahren krachten zwei Passagierflugzeuge in die Türme des World Trade Centers. Mein 16-jähriges Ich nahm diesen schrecklichen Tag wie folgt wahr…

 

Mit 16 Jahren haben viele Jungs nicht mehr im Sinn als Videospiele, Sport und Mädchen. Jungs halt. Auch ich konnte mir am 11. September 2001 bessere Dinge vorstellen, als auf einen Fernsehbildschirm zu starren, der in Dauerschleife die furchtbaren Bilder zweier Passagierflugzeuge zeigt, die mit voller Wucht in die Türme des World Trade Centers krachen. Roland Emmerich hätte es visuell nicht besser hinbekommen. Nur leider war dies kein Film, sondern die Realität, mit der ich in dieser extremen Form bis dato und auch bis heute nicht mehr konfrontiert wurde. So erlebte ich den Dienstag, der in die Geschichte einging:

 

„Kiss Pinball“ wollte ich am 11. September auf meiner PlayStation spielen. Nicht ohne vorher etwas Geld von meinem Girokonto abgehoben zu haben, fuhr ich mit dem Fahrrad in den Backnanger Media Markt. Denn es war mild an diesem Spätsommertag – rund 20 Grad und strahlender Sonnenschein. Da konnte man schon mal ins Schwitzen kommen, wenn man die Sulzbacher Straße Richtung Elektronikfachmarkt hinaufdüst. Kurz nach halb drei sprach die Uhr. Noch genug Zeit, um schnell das Spiel zu kaufen, wieder nach Hause zu radeln und zwei Stunden bis zum Karate-Training zu zocken. Gene Simmons ich komme, muss nur noch schnell mein Fahrrad anschließen. Treppen hoch in den ersten Stock, rüber zur Software-Abteilung, in das richtige Regal greifen und schnell wieder runter zu den Kassen. Es ist mittlerweile immerhin schon 14:45 Uhr und ich muss noch die komplette Abteilung mit den riesigen Fernsehgeräten durchqueren…

 

14:46! Auf allen TV-Apparaten im Media Markt ist das World Trade Center zu sehen. In einem Turm scheint es zu brennen. Oh nein, was sagt die Bauchbinde?! Ein Flugzeug ist reingeflogen? Wiederholungen der Kollision werden eingeblendet. Media-Markt-Belegschaft und Kunden versammeln sich um die Fernsehgeräte und betrachten die furchteinflößenden Ereignisse auf den Bildschirmen. Das war so unwirklich, ich konnte die Tragweite von dem, was da gerade passiert war, gar nicht verarbeiten. Wird schon nicht so krass sein… außerdem muss ich jetzt schnell bezahlen und nach Hause fahren.

 

Daheim angekommen griff ich gleich zur Fernbedienung. Nicht um mit Paul Stanley eine ordentliche Runde Flipper zu spielen, sondern um mich auf N24 über die Geschehnisse in New York zu informieren. Inzwischen war es bereits 15:15 Uhr und ein weiteres Flugzeug war in den zweiten Turm des WTC geflogen. Um 15:59 Uhr konnte ich dem ersten der beiden Türme live beim Einstürzen zusehen. 16:28 Uhr dann dem Zweiten. Zwischendurch immer wieder Wiederholungen der hineinkrachenden Flugzeuge und furchtbare Aufnahmen von Menschen, die vor lauter Verzweiflung aus Stockwerken mit hohen zweistelligen Nummern sprangen. Das Karate-Training um 18 Uhr ließ ich trotzdem nicht ausfallen. Wenn ich schon nicht „Kiss Pinball“ spielen konnte, wollte ich mir als angehender Karate-Meister mit grünem Gürtel zumindestens nicht das Zweiteilen von Holzbrettern von irgendwelchen Terroristen vermiesen lassen.

 

„Jetzt gibt’s Krieg“, wurde im Vorraum meines Dojos diskutiert. Und ja, diskutieren war wohl das Einzige, was die anderen Teilnehmer meiner Karate-Klasse an diesem Tag wollten. „Na ja, bewegen wir uns zur Ablenkung noch ein wenig“, meinte mein Trainer 20 Minuten vor Trainingsende doch noch. Wirklich Sport gemacht, haben wir trotzdem nicht. Ich hätte auch zuhause bleiben können und mit Ace Frehley virtuell flippern können. Daheim dann wieder das Gleiche. Immer und immer wieder die Bilder der in die Türme stürzenden Flugzeuge. Ablenkung gab es durch das restliche Fernsehprogramm keine, denn „TV total“ fiel aus. Und auch Wrestling wurde im DSF durch etwas weniger aufregendes Billard ersetzt. Dann gehe ich halt mit einstürzenden Hochhäusern im Kopf ins Bett.

 

Nächster Tag und über Nacht nix verarbeitet. Was hätte ich auch verarbeiten sollen? Ich war 16 und weit davon entfernt, mir in Bezug auf diese so undurchschaubare und damals ehrlich gesagt auch völlig uninteressante Weltpolitik reflektierte Gedanken zu machen. Meinem damaligen Sportlehrer ging es wohl ähnlich. In der ersten Stunde des darauffolgenden Schultags hatte er die undankbare Aufgabe, die ersten Worte an eine 30-köpfige Gruppe von Teenager-Jungs zu richten. Vielleicht doch nicht so undankbar. Denn einfacher hätte man es sich mit pubertierenden Buben, die eh in allem und allen einen Witz sehen, nicht machen können: „Ja, scheiße ist das, heute kicken wir mal“, sagte er kurz und knapp und wies uns an, Tore aufzubauen. Meine Mannschaft verlor 9 zu 6.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.




Facebook
Instagram
Twitter
YouTube