Review: Eminem – Revival

Mit 45 Jahren möchte Eminem ein „Revival“ in Gang bringen. Doch herausragende Fähigkeiten als Rapper reichen 2017 nicht mehr aus.

 

„Not as raw as I was / ‘Walk on Water’ sucked? / Bitch, suck my dick“, rappt Eminem auf dem Remix zum Song “Chloraseptic”, den er vor einigen Tagen veröffentlichte. Eine derbe Reaktion auf die Kritiken, die der Detroiter nach der Veröffentlichung seines Albums „Revival“ Mitte Dezember 2017 ertragen musste. Wir hatten ebenfalls über die erste Singleauskopplung „Walk on Water“ berichtet und Rückschlüsse auf das bevorstehende Album gezogen. Damals waren wir noch zuversichtlich: „Nach der blassen ‘Marshal Mathers LP 2’ wird ‚Revival‘ vielleicht das großartige Spätwerk, das einen Künstler bei einer Entwicklung zeigt.“

 

Seit „The Marshall Mathers LP 2“ sind vier Jahre vergangen. Eine lange Zeit, in der sich der Geschmack der Rap-Hörer gefühlt einmal um 180 Grad gedreht hat. Die Lil Uzi Verts und Lil Yachtys bestimmen mit einer neuen musikalischen Lockerheit den Mainstream. Nicht der sauberste Flow oder die komplexeste Metapher überzeugen die Massen, sondern Lebensgefühle, die möglichst intensiv sind. Gefühle konnte Eminem im Laufe seiner Karriere ebenfalls vermitteln, doch das tat er stets mit einem erheblichen Schwerpunkt auf seine Fähigkeiten als Rapper.

 

Wiederbelebung alter Themen

 

„Revival“ heißt übersetzt „Wiederbelebung“. Und genau das versucht Eminem auf inhaltlicher Ebene. Er thematisiert das Verhältnis zu Exfrau Kim („Bad Husband“), inszeniert sich als Rüpel des Volkes („Offended“) und reflektiert die Erziehung seiner Tochter Hailie („Castle“) – Themen, die sich wie ein roter Faden durch das Werk des Rappers ziehen. Aber auch seinen Platz in der aktuellen Musikindustrie spricht er an. Auf dem Opener „Walk on Water“ zweifelt er noch, auf dem darauffolgenden Stück „Believe“ bläut er sich auf einem fast trap-ähnlichen Beat verloren geglaubtes Selbstbewusstsein ein.

 

Doch Eminem öffnet das Themenkarussell auch für Inhalte, die gesellschaftlich aktueller denn je sind. Gerade die soziale Ungerechtigkeit, die durch die Wahl eines Donald Trump zum Präsidenten der USA nicht geringer geworden ist, macht ihm zu schaffen. „Sendin’ white cops in the black neighborhoods / Who ain’t acclimated to ’em, like that’s the way to do it“, beginnt er auf „Untouchable“ einen Erklärungsversuch der nicht abflauenden Polizeigewalt, um dann fortzusetzen: „Who seen some fuckin’ videos of rappers waving guns / And know nobody black so they act afraid of us“.

 

Mit einem A cappella bei den BET Hip Hop Awards 2017 griff er Trump schon vor Albumveröffentlichung an. Dieser reagierte nicht, obwohl er sonst jede ihm nicht passende Morning-Show in Grund und Boden tweetet. Dann versucht es Eminem eben mit einem anderen Mitglied des Trump-Clans. Tochter Ivanka bekommt auf „Framed“ ihr Fett in guter alter Slim-Shady-Manier weg. Auf Drogen findet er Donalds Spross im Kofferraum. Wie das passieren konnte, weiß er natürlich nicht mehr. Inhalte, die im Jahre 2017 nur noch halbwegs lustig sind. Inhalte, die von einem 45-jährigen Familienvater eher befremdlich wirken.

 

Weshalb hatte Taylor Swift keine Zeit?

 

Eminem hat sich nie vor Popausflügen versteckt. Er mag zwar der Freestyle-Battle-King mit einer Vorliebe für Mobb Deep gewesen sein, die größten Hits der Achtziger, Neunziger und von heute scheinen in seiner privaten Playlist aber immer eine Rolle zu spielen. Denn eingängige Refrains und melodiöse Beats gehören seit Tag Eins zu seinem Soundbild. Auf „Revival“ treibt er es nun auf die Spitze. Gastbeiträge von Beyoncé, Ed Sheeran, Alica Keys, Skylar Grey und Pink werfen nur die Frage auf, weshalb Taylor Swift keine Zeit hatte.

 

Gutgemachte Kehrverse müssen aber nicht zwingend das Problem sein, auch wenn sie nicht den Erwartungen der Hip-Hop-Fans entsprechen. Wirklich unerträglich sind hingegen die schnulzigen Samples, an denen sich Eminems Produzenten vergriffen haben. „In Your Head“ verwurstet „Zombie“ von den Cranberries, „Arose“ vergreift sich an „The Rose“ von Bete Midler und „Remind Me“ nimmt sich „I Love Rock’n’Roll“ von Joan Jett vor. Zu Eminems Verteidigung muss gesagt werden, dass er in der Vergangenheit bereits mit Songs wie „Crazy in Love“ oder „Sing for the Moment“ in Sachen Samples Geschmacksunsicherheit bewiesen hat.

 

Eminem muss niemandem mehr etwas beweisen. Auf „Revival“ versucht er es trotzdem und genau deshalb wirkt das Album so gestelzt. Auf 77 vollgestopften und überproduzierten Minuten haut er inhaltlich alles raus, was ihn seit zwanzig Jahren begleitet. Rap-technisch geht er sogar noch einen Schritt weiter und macht aus „Revival“ ein „Rap God“ auf Albumlänge. Dadurch beweist er zwar, dass er immer noch besser rappt als alles, was in den letzten Jahren von SoundCloud an die Oberfläche gespült wurde, wirklich gute Songs ist er seinen Hörern aber schuldig geblieben.

 

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