On Tape: Analog ist besser!

Es fing zwar mit Rolf Zuckowskis Schulhofklassiker „Du da im Radio“ an, entwickelte sich jedoch schnell zur waschechten Sammelleidenschaft von Benjamin-Blümchen-Kassetten. Das Hörspielvergnügen war ganz und gar meins und wurde im Winter 1994 vom „König der Löwen“ auf den Zenit getrieben. Doch es musste nicht viel Zeit vergehen, bis ich endgültig auf den rein musikalischen Zug aufsprang. Jeden Sonntagabend zwischen 18 und 22 Uhr wurden auf SWR 3 die Hörercharts ausgefochten. Das Kassettendeck meines Bruders lief heiß und die Kassetten mit mitgeschnittener Musik häuften sich.

 

Einblick in meine Sammlung

1997 kaufte ich mir meine erste eigene Stereoanlage, mit der ich von da an freie Hand hatte. Noch vor Napster und Filesharing fing ich an, mir meine Lieblingssongs auf hunderten von Kassetten zusammenzusammeln. Egal ob aus dem Radio, per Cinch-Kabel direkt von MTV und Viva mitgeschnitten oder „Sicherheitskopien“ von CDs der halben Schulklasse, innerhalb weniger Jahre hatte ich mir eine dermaßen umfangreiche – mit Microsoft Access übersichtlich archivierte – Musikbibliothek aufgebaut. Kein Hit der Stunde ging nicht in meinen analogen Besitz über.

 

Nachdem ich bis 1999 Musik in all seinen Formen und Auswüchsen mochte (das Europe-Best-Of und die Love-Parade-Sampler von 1997 und 1998 können es belegen), vereinnahmte mich die HipHop-Kultur ab dem Ende der neunziger Jahre komplett. Weshalb ich selbstverständlich auch den letzten verfügbaren Pfennig in Vinyl, Videos, Zeitschriften, CDs und natürlich Tapes investierte, die den Hip to da Hop thematisierten. Dabei kaufte ich Tapes im Allgemeinen und Mixtapes im Speziellen. Meine Sammlung beinhaltet zum jetzigen Stand 171 nicht selbst bespielte Kassetten. Die ersten Tapes, die mein Zimmer von innen sahen, waren „Man spricht Deutsch 7“ von Dr. Stimpy, „Dangerous!“ von DJ Kamikaze und der Royal-Bunker-Meilenstein „Berlin No. 1 Vol. 2“. Die aktuellsten Tapes sind Alben von Cave Canem und Come Closer.

 

Doch auch der schillerndste Lebensabschnitt eines jungen Walkmanbesitzers muss in Zeiten der Smartphones und iTunes-Abos einmal zu Ende gehen. Und so kam es, dass ich im Winter 2005 endgültig das Handtuch warf und mir einen nigelnagelneuen mp3-Player von Philipps eintütete. 32 Gigabyte Speicherplatz waren einfach überzeugender als 90 Minuten Band. Nachträglich entscheidungsbekräftigend bekam ich wenige Monate später mit dem Kauf eines neuen Plattenspielers auch ein Kabel und eine Software geliefert, mit deren Hilfe ich analoge Medien digitalisieren konnte. Gut für meine Kassetten, denn statt das Werkzeug für die Digitalisierung meiner Vinylsammlung zu nutzen, durften meine Mixtapes eine neue Heimat auf meiner Festplatte und somit auch auf meinem mp3-Player beziehen. Ganz locker ohne nennenswerte Klangverluste.

 

Aber auch die eingestaubtesten Tapes finden irgendwann ihren Weg zurück in ein für sie gebautes Kassettendeck. Zuletzt habe ich meine Sammlung intensiv während meiner Lehre und später während meines Praxissemesters in Beschlag genommen. Ältere Autos mit „zurückgebliebenem“ Soundsystem sei Dank. In meinen eigenen vier Wänden ist Kassettehören mittlerweile eine eher zweischneidige Angelegenheit geworden. Da ich nicht mehr im Besitz zuverlässiger Technik bin, ist mir die Gefahr zu groß, dass das veraltete Tapedeck meine wertvollen Bänder frisst wie Bandnudeln. „Beatbox Onto Darm“ von Zibu Dean musste beispielsweise schon daran glauben.

 

Jamie Cullum sang „I’ll make you a mixtape that’s a blueprint of my soul” und bringt damit eine Geisteshaltung auf den Punkt, an die man nicht mit dem Brennen von CDs oder dem Kompilieren von Computer-Playlists herankommt. Bänder, Tapes, Kassetten sind die VW-Hippie-Busse unter den Datenträgern. Die Leistung ist ein Witz, der Nostalgiewert dagegen unbezahlbar.

2 Comments

  1. http://thefindmag.com/?p=26151

    nix mit tape, aber ich wollts dir zeigen . und so geht das am schnellsten.

  2. Oh, haste mir schon mal gezeigt! 🙂

1 Trackbacks & Pingbacks

  1. Podcast-Folge 17: mp3-Player – like it is '93 // das Popkultur-Magazin

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