Mein Problem mit Coverbands

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Coverbands: Nur mit Alkohol hörbar?

Sie könnten auch auf deiner Hochzeit spielen: Coverbands. Ich habe mir Gedanken darüber gemacht, welches Problem ich eigentlich mit den Meistern des „Time Of My Life“-Kopierens habe.

 

“I got my first real six-string”, singt der in die Jahre gekommene Berufsjugendliche und träumt noch einmal davon, wie es wohl ist, Rockstar zu sein. – “Bought it at the five-and-dime” – Das Publikum liebt den Song und feiert frenetisch mit, was ihm das Gefühl gibt, er wäre tatsächlich ein Rockstar. – „Played it till my fingers bled“ – So nah kommt er nie wieder an das Rockstargefühl heran und spuckt noch ein letztes Mal in sein Mikrofon: „Was the summer of ’69!“

 

Uninspirierte Möchtegern-Rockstars, die zwar eine Gitarre halten können, aber nicht in der Lage sind, ihre eigene Kreativität in Neukompositionen umzuwandeln, gibt es zuhauf. Und sie scheinen gut anzukommen auf all den Hochzeiten, Betriebsfeiern, Bierzelt-Events und Privatpartys des Landes. Das schlägt sich auch in den Gagen nieder, denn wenn man einschlägigen Online-Portalen Glauben schenken möchte, erhält eine durchschnittliche Coverband je nach Veranstaltung zwischen 500 und satten 3.500 Euro Gage. Wer ein paar Mal im Monat auftritt, kann davon durchaus leben. Bands, die mit Herzblut eigene Musik erschaffen, müssen sich häufig um Auftrittsmöglichkeiten kloppen und bekommen – im besten Falle – nach getaner Arbeit einen Kasten Bier in den Backstage-Raum gestellt.

 

Doch warum kommt man – das Geld mal ausgeklammert – auf die Idee, eine Coverband zu gründen? Klar, inspiriert durch die eigenen Idole greifen viele Jungspunde irgendwann nach Mikro, Drumsticks oder Gitarre und interpretieren die Lieder ihrer Vorbilder auf die eigene unbeholfene Art und Weise. Doch diese Lehrjahre vergehen und früher oder später kommt der Wunsch auf, eigene Musik zu erschaffen. Möchte man meinen. Aber vielleicht hat eben nicht jeder Musiker den Anspruch mit Eigenkreationen durchzustarten. Möglicherweise ist es vielen einfach zu anstrengend, jede Woche zu proben, sich das Hirn über Songskizzen zu zermartern und in 9 von 10 Fällen nichts Brauchbares zu kreieren. Vielleicht möchten diese Leute trotzdem auf der Bühne stehen, irgendetwas zusammenmusizieren und dafür bejubelt werden. Und vielleicht gibt ihnen der Erfolg sogar Recht.

 

Bestehen Coverbands also aus gescheiterten Kreativen, die ihre Leidenschaft verloren haben und nun dem billigen Applaus und den hohen Gagen hinterherjagen? Gerne würde ich meinem Unmut lautstark Luft machen, wenn mal wieder eine menschliche Jukebox für Leute ohne Musikgeschmack die schrecklichsten Nummern von „Time Of My Life“ über „Wind Of Change“ bis hin zu „Dancing Queen“ runterträllert. Für diese Konsumenten lohnen sich Coverbands, denn „Die ultimative Chartshow“ live und nicht „vom Band“ zu hören, funktioniert auf der eigenen Party nun einmal ausschließlich so – oder man hat das nötige Kleingeld und lässt Bryan Adams und Konsorten einfliegen. Aber wer hat das schon?!

 

Bei all meiner persönlichen Abneigung gegenüber Coverbands muss ich für das Cover an sich trotzdem eine Lanze brechen. Denn auch die Neuinterpretation eines bereits existierenden Stückes hat seinen Reiz, der sich nicht abstreiten lässt. Wenn beispielsweise Murder By Death den Guns’n’Roses-Klassiker „Baby Don’t Cry“ in ihren ureigenen Bandsound übersetzen, eine Handvoll Gruppen wie Machine Head, Bullet For My Valentine oder Mastodon zusammenkommen und aus Ehrerbietung die Metallica-Platte „Master Of Puppets“ covern oder die Fugees „Killing Me Softly“ mit ihrer Interpretation zu einem waschechten Welthit machen, bin auch ich voll und ganz auf der Seite der „Nachahmer“. Denn hier standen im besten Falle künstlerische Visionen und nicht das plumpe Nachspielen von Hits im Vordergrund.

 

„Wer die Augen schließt und Lead-Sänger Tom Ludwig hört, denkt tatsächlich, er hätte den wahren Phil Collins vor sich“, schwärmte Veranstalter Hendrik Weyand 2014 in der WAZ über sein Booking der Genesis- und Phil-Collins-Coverband True Collins. Und genau das ist womöglich genau mein Problem, das ich mit Coverbands habe. Wenn ich Jay-Z nicht live sehen kann, würde ich mich auch nicht mit einem Cover-Künstler begnügen. Warum auch? Ich habe es nie geschafft, Johnny Cash live zu erleben. Einen Abend mit einem Johnny-Cash-Imitat muss ich mir deswegen noch lange nicht antun. Ich könnte diesen Menschen einfach nicht feiern, da ich stets das Gefühl hätte, ich jubele hier einem Typen zu, der selbst nur Fan ist und gerne etwas wäre, was er einfach nicht ist. Weil er es nicht kann oder ihm das Kopieren einfach mehr Erfolg bringt als eigene Ideen – beides keine guten Gründe.

 

Vielleicht bin ich aber auch auf dem absoluten Holzweg. Ihr liebt Coverbands, spielt vielleicht sogar in einer und könnt meine Meinung überhaupt nicht nachvollziehen? Kommt ran und erklärt mir die Faszination an der Sache! Ich würde mich sehr gerne überzeugen lassen.

4 Comments

  1. Ich spiele seit 3 Jahren in einer Coverband (www.supagroove.de) und kann deine Meinung teilweise verstehen. Niemand will zum 100. Mal “Summer of 69” in einer schlechten Version hören. Wir machen es anders. Wir sind eine Coverband mit Konzept. Wir bedienen ein bestimmtes Genre (Rock Pop der 80er und 90er) und achten bei der Songauswahl darauf, dass die Songs “Seltenheitswert” haben. Wer covert schon “Dirty Diana” oder “Seeds of love”? Wir machen das. Wir sprechen englisch auf der Bühne und haben ein ziemlich spezielles Bandoutfit, das uns von snderen abgrenzt. Wer uns bucht, hat keinen Einfluss auf die Setlist. Entweder ganz oder gar nicht. Schlager und Mainstream kommt uns nicht auf die Setlist.

    Warum wir covern?
    In der Gegend, in der wir spielen (Großraum Westerwald/Koblenz) sind Bands hauptsächlich für Großveranstaltungen (Kirmes etc.) gefragt. Da muss man 2-4 Stunden netto Musik drauf haben. Wir sind 6 “Musiker”, die alle Job und Familie haben. Wir lieben Musik und treffen uns einmal in der Woche. Mehr geht nicht. Das Covern gibt uns die Möglichkeit, in relativ kurzer Zeit ein großes Set aufzubauen, um die Nachfrage der Veranstalter in der Region zu bedienen.
    Natürlich denken wir auch hin und wieder darüber nach, eigene Songs zu schreiben. Da wir aber keine “gewachsene” Band sind, fehlt es an einem Konzept. Das fängt mit der Sprache an und hört beim Stil auf.

    Für uns ist das Covern eine super Möglichkeit großartige Musik zusammen zu machen und eine Menge Menschen zu begeistern. Wir haben Spaß dran und unsere immer weiter wachsende Fanbase offensichtlich auch.

    • Vielen Dank für deinen ausführlichen und wirklich nachvollziehbaren Kommentar!
      Klingt, als würdet ihr nicht unbedingt den leichtesten Weg gehen, den man als Coverband gehen könnte. Für welche Veranstaltungen werdet ihr denn normalerweise gebucht? Habt ihr schon schlechte Erfahrungen mit eurem Konzept gemacht, da euch bestimmte Veranstalter vielleicht doch lieber als “menschliche Jukebox” gehabt hätten?

      • Wir spielen am liebsten unsere eigenen Konzerte (einmal im Jahr). Aber da ist der Aufwand sehr hoch. Dieses Jahr haben wir auf einem “Flugplatzfestival” gespielt – was einfach mega gut zu unserem Konzept passt. Wir sind auch direkt für nächstes und übernächstes Jahr wieder auf einem Flugplatzfest gebucht worden. Das sind ja “special Intrest-Veranstaltungen”. Häufig angefragt werden wir von “Kirmes/Kerb” Veranstaltern, aber die wollen dann doch eher Helene Fischer und Wolle Petry und das spielen wir halt nicht.

    • Wenn Kinder über den gecoverten Song den Weg zum Originaltitel finden hat die Coverversion ihren Zweck erfüllt finde ich.
      Oft sind es ja auch bekannte Sänger/innen die Coverversionen zum besten geben, meistens eher schlecht ganz besonders dann wenn sie sich an große Titel wagen ,das kann in der Regel nur schief gehen.

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