Review: Rockstah – Pubertät

Warum die Comics und Actionfiguren auf dem Dachboden verstauen, nur weil man langsam in dem Alter für Frau und Kind ist?! Rockstah kommt mit 28 erst einmal in die „Pubertät“ und hat ein Album darüber gemacht.

 

„Ich war schon immer fly wegen der Segelohren / mehr so der Durchschnittskerl, bisschen so Metascore“, wenn Rockstah in „Echt erkennt echt“ seine Jugend überspitzt zusammenfasst, dann klingt das total lustig, ist anderseits aber auch reichlich rührend. Seine Geschichte ist die eines Außenseiters, Typen wie ihn, gibt es dennoch in jedem Städtchen von Buxtehude bis Friedrichshafen. Damals die Uncoolen von den Schulen, die sich heute mit dem Erwachsenwerden Zeit lassen und dank nachgekaufter Spielzeugsammlung tragische Clowns mimen. Rockstah gibt den „Auftrag: Verschwende deine Jugend“ und spricht damit womöglich weniger die Kids an, die ihm bei jeder Rabattaktion den Webshop leerkaufen, sondern viel eher die älteren Semester, die sich seiner Musik gegenüber eventuell erst einmal verweigern. Das wäre an dieser Stelle aber ein Fehler, denn Rockstah hat mit seinem zweiten richtigen Album „Pubertät“ eine kompakte Coming-Of-Age-Langspielplatte aufgenommen, die erfrischend ehrlich zwischen reifer Sehnsucht und jugendlicher Ignoranz pendelt.

 

In der Vergangenheit war Rockstah nie um eine gesungene Hookline verlegen, trotzdem oder gerade deshalb handelt es sich bei seiner Kunst um Rap im dennoch kredibilen Gewand der Popmusik. Der Anführer der Nerdy Terdy Gang ist im handwerklichen Sinne nicht der beste Rapper, den diese Szene je hervorgebracht hat. Flows und Reime bewegen sich auf einem durchschnittlichen Niveau ohne größere Ausreißer nach oben und unten, standen aber auch nie im Fokus seiner Werke. Statt einer staubtrockenen Boombap-Unterlage mit zusammengecutteten Guru-Lines, gibt es hymnenhafte Peter-Pan-Musik, die von popkulturellen Querverweisen und Insider-Gags lebt.

 

„Pubertät“ macht stets den Eindruck, als wolle Max Nachtsheim – wie Rockstah von Mama und Papa getauft wurde – seinen Hörern auf Augenhöhe begegnen. Auch das inszeniert er in „V.U.P. Lounge“ zwar als riesengroßen Gag, abnehmen kann man ihm die vertonte Versprechung an die eigenen Fans trotz allem. „Hotel Mama“ hält, was der Titel verspricht und fasst Rockstahs Humor perfekt zusammen. Mit „das ist die Rache für die Scheidung“ begründet er gegenüber der Mutter seine Nesthockermentalität und schafft es erneut, einem eigentlich ernsten und für ihn peinlichen Thema mit Witz und Ehrlichkeit zu begegnen. An heiße Eisen wie die Liebe traut sich der Rodgauer ebenfalls heran, indem er in „Die kleinste Sekte der Welt“ die Beschreibung der perfekten Nerdfrau aus dem Zirkus-Zirkus-Hut zaubert, um mit dieser dann im zweiteiligen Epos „Ein Weltuntergang“ vor der Kulisse einer brennenden Stadt sein bestes Date zu feiern. Kleiner Mann ganz groß.

 

Die Beats – sofern man sie noch so titulieren möchte – gehen durch Mark und Bein. Ob es nun Gitarrenspuren wie die in „König Außenseiter“ und „Astronaut“ sind, die einen direkt ins Flux-FM-Mittagsprogramm schießen, oder der krachige Stomp-Sound von Stücken wie dem Titeltrack „Pubertät“ und „LOL“, das Album lebt zum großen Teil von seiner abwechslungsreichen Instrumentalisierung. Da wundert es nicht, wenn sich ein „Echt erkennt echt“ anfühlt, als stünde man direkt mit der Band im Proberaum. Einen Mangel an Live-Tauglichkeit mit entsprechenden Mitgrölrefrains kann man „Pubertät“ beileibe nicht attestieren.

 

Nach dutzenden Merchandise-Artikeln, zig Gameswelt-Kolumnen und unzähligen Tweets hat Rockstah endlich wieder Musik gemacht. Musik, die (leider) immer Geschmackssache bleiben wird, aber nach drei Jahren unterbrochener Schaffensphase von den Produktionen über die Videos bis zum Booklet wertiger wirkt als alles, was der Nerd-Rapper je gemacht hat. 43 Minuten beste Unterhaltung, welche ihre Hörerschaft hoffentlich nicht nur aus jugendlichen YouTube-Hängern rekrutieren wird, die übermorgen schon das nächste große Ding kennenlernen möchten.

 

2 Comments

  1. Rockstah. Von mir zuerst in die Cro-etc.-pp.-Schublade egsteckt und als “Musik für Leute die kurz vor dem Abi stehen” abgetan. Letztens aber bei Almost Daily gesehen und gedacht: “Naja, n Sympath isser schonmal”.
    Stefan! Welchen Track sol ich mir anhören? Welches Lied überzeugt mich vollends?

1 Trackbacks & Pingbacks

  1. 2014 – Der große Jahresrückblick – like it is '93 // das Popkultur-Magazin

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.




Facebook
Instagram
Twitter
YouTube