Roche & Böhmermann: Kein Stück schlauer, aber köstlich unterhalten

Am 4.3.2012 ging die Retro-Talkshow „Roche & Böhmermann“, die sich an legendären Talkrunden wie „Der Internationale Frühschoppen“ orientiert, zum ersten Mal auf Sendung. Seitdem wurden acht Folgen der chaotischen Gesprächsshow, die alles irgendwie anders – weil altes neu – machen möchte, ausgestrahlt. Unter anderem kamen in der spärlich beleuchteten Kölner Wachsfabrik, in der die Show aufgezeichnet wird, so namhafte wie auch unterschiedliche Gästen wie die Ärzte, Werner Schulze-Erdel, Lena Meyer-Landrut, Wilson Gonzales Ochsenknecht, Arno „Dagobert“ Funke, Dendemann, Thees Uhlmann, Rocko Schamoni oder Marina Weisband vorbei.

 

Der öffentlich-rechtliche Sender ZDFkultur, der im Mai des vergangenen Jahres den ZDFtheaterkanal ersetzte, ist die Heimat von „Roche & Böhmermann“. Eine Sendung, die den Gegenpol zu seriösen – aber auch ein Stück weit langweiligen – Gesellschafts- und Polittalks wie „Markus Lanz“ oder „Günther Jauch“ darstellt. Jan „Harald-Schmidts-Sidekick“ Böhmermann und Charlotte „Feuchtgebiete“ Roche quatschen mit ihren Gästen aus der Unterhaltungsbranche, der Politik, dem Sport oder sonst woher über all das, was in der lockeren sieben-Mann/Frau-Runde eben zustande kommt. Einen klaren Ablaufplan gibt es nicht. Möchte Britt „Mein Mann kann“ Hagedorn von Sven „Berghain“ Marquardt wissen, ob sie zu etepetete ist, um an seiner Clubtür vorbeizukommen, darf sie das gerne fragen.

 

Böhmermann stichelt, Roche ist lieb

 

Alles kann, nichts muss. Böhmermann stichelt, Roche ist lieb. Sollte ein Gast in all dem Chaos nicht zu Wort kommen, sagt das manchmal mehr über den Gast aus, als über die Art, wie die Gast- und Namensgeber ihre Sendung führen. Im Fokus stehen keine Filmprojekte oder Platten, die beworben werden müssen, sondern Whiskey und Zigaretten, die konsumiert werden wollen. Die Gespräche, die dazwischen geführt werden, sind pro forma. Denn niemand ist nach Jochen „Anti-Atom-Aktivist“ Stays Auftritt schlauer. Dafür wurde man köstlich unterhalten. Vor allem die Zuschauer, die mit den Wortsalven so mancher Fernsehprofis nichts anfangen können, werden an dem unkonventionellen Talk, der eher auf einen lustigen Spruch, als auf eine Information baut, ihre Freude haben.

 

Der fehlende bzw. inkonsequent geführte Gesprächsfaden mag so manchem Redakteur der Süddeutschen Zeitungen sauer aufstoßen („Keine Haltung, fehlende Meinung“), doch Zuschauer, die hinter das Blabla der Gäste steigen möchten, sind bei „Roche & Böhmermann“ bestens aufgehoben. Jeder Gast wird mit einem kurzen Einspieler vorgestellt. Diese Filmchen schrammen teilweise haarscharf an frechen Beleidigungen vorbei und knallen genauso häufig mittenrein. Doch R’n’B dürfen das. Denn das Talk-Tag-Team ist sich am Ende jeder Sendung nicht zu schade, auch Selbstkritik zu üben.

 

„Roche & Böhmermann“ wirkt auf den Zuschauer transparent. Jeder darf bzw. soll mitbekommen, wenn etwas nicht so wie geplant funktioniert. Werden die starken Momente (Jan vs. Britt) durch wirkliche Tiefpunkte (Anna Fischers Fremdschämgeschwätz) unterbrochen, wird es thematisiert oder plump im Keim erstickt. Dadurch entsteht Lockerheit, die Spaß macht, aber auch Anspannung, die eigentlich ebenso Freude bereitet. Und sollte es ganz schlimm werden, kann einer der Beteiligten ja immer noch den kleinen Knopf in der Mitte drücken, der alles Gesagte für das Fernsehpublikum unhörbar macht. Denn die 100 Zuschauer im Studio können ruhig mitbekommen, was den 50 Zuschauern vor dem Fernseher verwehrt bleibt.

 

Am 2. September geht es weiter

 

Das Feuilleton ist sich uneinig. ZDFkultur schon. „Roche & Böhmermann“ hat sich für den jungen Sender zu einem klaren Quotenerfolg entwickelt. Der „Quotendruck“, der auch innerhalb der Sendung thematisiert wurde, war angesichts einer Sendervorgabe von mindestens 0,1% Marktanteil bei der wichtigen Zielgruppe der 14- bis 49jährigen vermeintlich gering. Zwischenzeitliche Quoten von bis zu beachtlichen 0,6% zeigten jedoch, dass es tatsächlich deutlich mehr als 50 Zuschauer gibt, die den sonntäglichen Abendtalk sehen möchten. Da ist es nur erfreulich, dass ZDFkultur via Twitter bekannt gab, ab dem 2. September neue Folgen ausstrahlen zu wollen.

 

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