Die Hoffnung ist ein Hundesohn: Marcus Staiger in Ludwigsburg

Damals versorgte er uns mit teils kontroversen Rap-Tapes, heute mit teils kontroversem Lesestoff. Am 25.4. besuchte Marcus Staiger seine alte Heimat und präsentierte im Kronekeller in Ludwigsburg seinen ersten Roman „Die Hoffnung ist ein Hundesohn“.

 

Ein Tisch, eine Schreibtischlampe und ein Exemplar von „Die Hoffnung ist ein Hundesohn“ genügten an diesem regnerischen Freitag, um im beschaulichen Ludwigsburg-Hoheneck eine Lesung abzuhalten. Denn die Zeiten von wilden Splash-Moderationen sind vorbei, mittlerweile ist der ehemalige Royal-Bunker-Labelboss Marcus Staiger unter die Romanautoren gegangen. Und dieses Schreiben ist eine Herzensangelegenheit des Mannes, der nicht nur für Wikipedia als Wegbereiter des Berliner Raps gilt. Nach unzähligen journalistischen Arbeiten – unter anderem für die Zeit, Vice oder Juice – und einem mehr oder weniger untergegangenen Buch mit Bushido schwang er den Kugelschreiber erneut, woraus sein erster eigener Roman resultierte.

 

„Die Hoffnung ist ein Hundesohn“ erzählt die Geschichten von fünf Menschen, die in einem fiktiven Deutschland im Jahre 2012 leben. Die Montagsdemonstrationen wurden auf Anweisung der DDR-Führungsspitze 1989 zusammengeschossen, woraufhin Helmut Kohl Panzer an den Grenzen zum sozialistischen Schwesternstaat auffahren ließ. Die Wiedervereinigung, wie wir sie kennen, fand in dieser Geschichte nie statt. Vor diesem Hintergrund spinnt sich Staiger eine Welt aus Fiktion und realen Begebenheiten zusammen. Darin wird Wahres weitergesponnen, ergänzt oder erschreckenderweise so wiedergegeben, wie es irgendwo anders auf diesem Planeten tatsächlich passiert. Seine Figuren müssen ihren Platz in diesem beängstigenden Szenario finden und tun es – mal mehr und mal weniger – erfolgreich.

 

Lesungen sind an sich eine feine Sache. Der Autor kann seinen Protagonisten genau die Prosodie geben, die er sich im Schreibprozess vorgestellt hat. Das darauffolgende Leseerlebnis fällt auf diese Weise im besten Fall noch lebhafter aus. Ist das Werk bereits vor der Lesung zu Gemüte geführt worden, kann das Gelesene noch einmal neu interpretiert und in ein neues Licht gestellt werden. Der zu Beginn sichtlich nervöse Marcus Staiger hatte bei seiner Lesung genau dies im Sinn. Neben einem lebendigen Vortrag fütterte er sein rund 40köpfiges Publikum reihenweise mit Erklärungen und Anekdoten, was aber nicht weiter störte. Im Gegenteil. Dieser Marcus Staiger kann reden und man hört auch gerne zu, wenn der 42jährige einen Schwank aus dem Leben eines Rapschaffenden oder Hintergrundinformationen über politische Begebenheiten ausplaudert.

 

vor dem Kronekeller in Kornwestheim

In der zweiten Hälfte der Lesung präsentierte Staiger das schreiberisch wohl ambitionierteste Kapitel seines Buches. Er vermischt darin eine an Goebbels und Sarrazin angelehnte Rede des fiktiven Innenministers mit dem penibel genau beschriebenen Sexualakt zweier weiterer Hauptfiguren. Er selbst hat bereits genug Lesungen hinter sich, um mit dem womöglich unangenehmen Gefühl, das hinter dem Vortrag erotischer Texte steckt, umzugehen, doch diese Veranstaltung in Wohnzimmeratmosphäre war sicherlich anders als seine sonstigen Auftritte vor Publikum. Ludwigsburg-Hoheneck liegt direkt neben Kornwestheim, dem Ort, in dem Marcus Staiger aufgewachsen ist. So sind neben Lesefreunden, Fans der ersten Stunde in alten Kool-Savas-T-Shirts und Supportern des neueröffneten Kronekellers auch seine Familie samt Mutter anwesend.

 

Im Anschluss war sich Staiger nicht für Fragen, Widmungen und Gespräche zu schade. Da freut es die Kids von gestern umso mehr, wenn man neben die alten Kassetten mit „Untergrundtapes“-Aufdruck nun ein Buch mit „Untergrundbooks“-Aufdruck stellen kann. Alle anderen bekommen mit „Die Hoffnung ist ein Hundesohn“ ein Buch, über das man diskutieren kann. Und das ist jede Menge wert.

4 Comments

  1. Buch liegt zum lesen bereit.

  2. Zwischenstand: Explizite Sexszenen in Büchern langweilen mich. Ansonsten: Verrückt wie gut der Schreiben kann!

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