LucasArts: Point-and-Click-Adventures (Teil 3 von 3)

1993 befand sich LucasArts sowohl finanziell als auch künstlerisch auf dem Zenit. Jahrhunderttitel wie „Monkey Island“, „Indiana Jones and the Fate of Atlantis“ und „Maniac Mansion” kennen begeisterte Gamer noch heute auswendig wie die Nummer ihres Pizzalieferdienstes. Die parallel veröffentlichten Star-Wars-Spiele spülten zusätzliches Geld in die Kassen des kalifornischen Unternehmens, die dieses wiederum einsetzten, um an weiteren Großprojekten zu feilen. Doch durch den Erfolg des Science-Fiction-Franchises, änderte sich auch der Fokus bei LucasArts. Die früheren Verkaufsschlager Point-and-Click-Adventures steuerten langsam aber sicher auf ihr Ende zu.

 

Im dritten Teil der großen Reihe „LucasArts: Point-and-Click-Adventures“ blicke ich auf die letzten großen LucasArts-Games dieses Genres zurück, gehe auf das Ende der Firma ein und betrachte, wer die heutigen Erben von George Lucas‘ legendärer Spieleschmiede sind.

 

„Maniac Mansion 2“ und der Gipfel des Erfolgs

 

“’Day of the Tentacle’ ist nicht nur das beste Fun-Adventure des Jahres, sondern kratzt sogar hartnäckig am ‚Monkey Island‘-Thron“, schrieb die Power Play im Juli 1993 begeistert über das neuste Point-and-Click-Adventure aus dem Hause LucasArts. Unter dem Arbeitstitel „Maniac Mansion 2“ besucht der Spieler mit den frei wechselbaren Figuren Bernard, Laverne und Hoagie erneut die Villa des durchgeknallten Wissenschaftlers Dr. Fred Edison, die LucasArts-Fans bereits aus dem grandiosen „Maniac Mansion“ von 1987 kennen. Dank farbenfroher Grafikpracht, einer spektakulären Soundausgabe und einem Humor, der auch dem spaßbefreitesten Doom-Anhänger gefallen hätte, punktete „Day of the Tentacle“ bei Kritikern und Spielern.

 

Mit dem „Tag des Tentakels“ wurde Monkey-Island-Schöpfer Tim Schafer endgültig zum gefeierten Entwickler, dem alles zu gelingen schien. Dazu war das Spiel nicht nur inhaltlich und technisch ein weiterer Meilenstein der Firmengeschichte, auch rein wirtschaftlich konnte „Day Of The Tentacle“ mit rund 80.000 verkauften Einheiten das für damalige Verhältnisse sehr hohe Budget von 600.000 US-Dollar wieder locker einspielen. Mit diesem Titel zeigten die Point-and-Click-Adventures ein weiteres Mal, was für eine Popularität sie zur damaligen Zeit besaßen. Spiele zu schaffen, die mit ihren charmanten und teils kinoreifen Geschichten sowohl eine ältere als auch jüngere Zielgruppe ansprechen, hatte LucasArts Anfang der Neunziger Jahre dermaßen perfektioniert, dass mit „Day of the Tentacle“ das wohl beste Spiel des Genres entstanden ist.

 

 

Aktionsverben und Inventarliste ade

 

Noch im gleichen Jahr wie „Day of the Tentacle“ erschien das auf den Comicfiguren von Steve Purcell basierende „Sam & Max Hit The Road“. Der menschenähnliche Hund Sam und der aggressive Psycho-Hase Max begeben sich auf eine Reise durch ein herrlich absurd dargestelltes Amerika, um – wie es in einem derartigen Szenario nicht anders zu erwarten ist – einen verschwundenen Yeti zu finden. Das Spiel zeigte, wie sehr sich der Spielemarkt und damit auch das Genre zu verändern begannen. Statt der seit Tag 1 üblichen SCUMM-Bar mit Aktionsverben und Inventarliste setzte LucasArts auf eine Bildschirmfüllende Spielgrafik und einen Mauszeiger, über den die Befehle durchgeklickt werden konnten. Videospiele wurden grafisch immer spektakulärer, schneller und actionreicher. Neue Entwicklungen im Konsolenmarkt trugen ebenfalls dazu bei, dass am Thron der Point-and-Click-Adventure gesägt wurde. Die Diskette diente – dem geringen Speicher geschuldet – als Trägermedium aus und die CD-Rom trat ihren Siegeszug an. Die dadurch möglich gemachten vollvertonten Sprachausgaben trieben die Produktionskosten für Adventures in die Höhe.

 

Der große Reibach wurde bei LucasArts währenddessen mit ganz anderen Spielen gemacht. Allein zwischen 1993 und 1999 kamen 15 Games des Star-Wars-Franchises in die Läden. Dem gegenüber stehen nur sechs klassische Point-and-Click-Adventures. So erschien 1995 Tim Schafers vierter Streich „Vollgas – Full Throttle“, welches das erste Adventure der Firmengeschichte ist, das ausschließlich auf CD-Rom veröffentlicht wurde. Für die düstere Endzeitgeschichte rund um den Motorradganganführer Ben wurden die Möglichkeiten des neuen Datenträgers voll und ganz ausgenutzt. Weniger Rätsel, dafür mehr Videosequenzen stehen im Vordergrund. „Die perfekt eingefangene Biker-Atmosphäre würde auch Peter Fonda Spaß machen“, hieß es im Juli 1995 in der Power Play. Kosten von rund 1,5 Millionen US-Dollar und eine Produktionsdauer von 1,5 Jahren zeigten jedoch deutlich, was für einen Aufwand Point-and-Click-Adventures in einer Zeit bedeuten, in der die PlayStation mit Baller-, Prügel- und Rennspielen eine ganze Generation mit atemberaubenden Action-Erfahrungen „versaute“. Sich durch ein statisches Szenario zu klicken und dabei lediglich zuzuhören bzw. zu lesen, schien vielen Spielern nicht viel spannender vorzukommen als ein Schachsimulator.

 

 

Das erfolgreichste Adventure-Game der Firmengeschichte

 

LucasArts legten dennoch im gleichen Jahr mit einem weiteren Point-and-Click-Adventure nach, das die Stärken des Genres noch einmal betonen sollte. Das Science-Fiction-Abenteuer „The Dig“, in dem eine Gruppe von Wissenschaftlern bzw. Astronauten einen Asteroideneinschlag verhindern muss, ist nicht umsonst in Zusammenarbeit mit Steven Spielberg entstanden, legt es doch sein Augenmerk auf das erzählerische Potential des Genres. Die Geschichte sollte ursprünglich als Vorlage für einen Kinofilm dienen, der aus Kostengründen jedoch nie realisiert wurde. Die Entwicklung von „The Dig“ begann bereits in den Achtziger Jahren, kann bis dato aber nie zu Ende gebracht werden. Als das Spiel Ende 1995 endlich erschien, verkaufte es über 300.000 Einheiten und wurde damit das erfolgreichste Point-and-Click-Adventure in der LucasArts-Geschichte. Den schnellen Dollar machte das Unternehmen zu dieser Zeit trotzdem mit anderen Titeln.

 

1997 wurde mit „The Curse of Monkey Island“ das letzte Spiel der klassischen Point-and-Click-Ära in die Regale des Elektronikfachhandels gestellt. Ron Gilbert gab mit seinem Weggang von LucasArts die kreative Kontrolle für den dritten Serienteil zwar ab, positiv wurde das Spiel von Käufern und Kritikern dennoch aufgenommen. Technische Aspekte wie eine schicke bildschirmfüllende Grafik im Comicstil und eine SCUMM-Bar, die in den durchklickbaren Mauszeiger integriert wurde, haben sich seit „Sam & Max Hit The Road“ etabliert und wurden auch im neusten Teil der Guybrush-Threepwood-Saga eingebaut. „The Curse of Monkey Island“ war zehn Jahre nach der Veröffentlichung von “Maniac Mansion” ein würdiger Abschluss einer legendären Dekade, was auch die Fachzeitschrift PC Gamer ihren Lesern vollmundig erklärte: „If this isn’t destined to be a classic, I’ll swallow a cutlass.”

 

 

Tastatur statt Maus, 3D statt 2D

 

Mit „Grim Fandango“ wurde im Oktober 1998 ein Spiel veröffentlicht, das die bekannten spielerischen und technischen Elemente von Point-and-Click-Adventures beerdigte. Statt die Hauptfigur Manny mit der Maus durch eine 2D-Welt zu lenken, wurde das bekannte SCUMM-System abgeschafft und durch eine Tastatursteuerung in einer 3D-Welt ersetzt. Diese neue GrimE-Engine stieß vielen Spielern sauer auf, die das letzte Abenteuer von Guybrush Threepwood so genossen hatten. Dabei ist die Geschichte rund um den verstorbenen Manny, der als Reiseberater im Reich der Toten arbeitet, ein wahres Fest der Detailverliebtheit, von dem man sich nicht durch eine sperrige Bedienung abschrecken lassen sollte. „Flucht von Monkey Island“, das genau zwei Jahre nach „Grim Fandango“ unter die Spielerschaft gebracht wurde, schlug in die gleiche Kerbe und setzte erneut auf die GrimE-Engine. Kinderkrankheiten wurden zwar ausgebessert, das Interesse an den langsam erzählten und actionarmen Spielkonzepten schwand in Zeiten von PlayStation 2, Dreamcast und opulenten PC-Spielen jedoch merklich.

 

„Flucht von Monkey Island“ sollte 2000 das letzte Adventure-Spiel aus dem Hause LucasArts sein, die fortan – wie war es anders zu erwarten – lieber weiter die Star-Wars-Kuh melkten. Bis 2009 eine damals kleine Entwicklerfirma mit dem Namen Telltale Games um die Ecke bog und LucasArts um die Lizenzrechte für einen fünften Teil mit Guybrush Threepwood bat: „Tales of Monkey Island“ erschien zwischen Juli 2009 und Februar 2010 in fünf Episoden. Telltale ging aus ehemaligen Mitarbeitern von LucasArts hervor. Mit „Freelance Police“ haben diese noch unter der LucasArts-Flagge bis zur Produktionseinstellung 2004 an einem Nachfolger für „Sam & Max Hit The Road“ gearbeitet. Vom „Tales of…“-Erfolg angespornt veröffentlichte LucasArts 2009 und 2010 die beiden ersten Teile von „Monkey Island“ für alle gängigen Spieleplattformen noch einmal in überarbeiteter Form.

 

 

Das Ende von LucasArts

 

Im Oktober 2012 verkaufte George Lucas für 4,06 Milliarden US-Dollar Lucasfilm inklusive der LucasArts Entertainment Company LLC an die Walt Disney Company. Bereits im April 2013 gab der Mickey-Mouse-Konzern bekannt, dass LucasArts aufgrund interner Umstrukturierungen fortan nur noch als Lizenzgeber und nicht mehr als aktiver Spieleentwickler fungieren solle. Die damals rund 350-köpfige Belegschaft wurde fast komplett entlassen. Doch wo sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere: Anfang 2015 erschien über Tim Schafers Double Fine Productions mit „Grim Fandango Remastered“ ein recht erfolgreiches Remake des Klassikers von 1998. Mit „Broken Age“ veröffentlichte das „Day of the Tentacle“-Mastermind bereits ein Jahr zuvor ein traditionelles Point-and-Click-Adventure, das durch Crowdfunding finanziert wurde. Der Beweis, dass ein Markt für das Genre noch zu existieren scheint.

 

Fans von Point-and-Click-Adventures bekamen und bekommen fernab der Hochglanzproduktionen von LucasArts durchaus Alternativen geboten. Sei es in den Neunzigern die große Konkurrenz von Sierra On-Line, heute die deutschen „Deponia“-Entwickler von Daedalic Entertainment, das bereits erwähnte Adventure-Powerhouse Telltale Games oder zig leidenschaftliche Fan- und Amateurprojekte – das Genre hat in den letzten dreißig Jahren mit oder ohne SCUMM-Bar Plätze in vielen Spielerherzen eingenommen. Und das wird auch so bleiben, denn: Benutze … mit …!

 

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