Doppel-Review: Kadavar in München & Fehlfarben in Freiburg

Ob Kadavar mit ihrem schweren Rock, zu dem man durch Wirbelstürme spaziert oder Fehlfarben mit ihrem Sänger, der weiß, wie man das Hirn benutzt – es fanden wieder einige interessante Konzerte statt: Kadavar spielten am 28.11. im Münchner Backstage und Fehlfarben am 4.12. im Freiburger Waldsee.

 

Kadavar im ausverkauften Backstage

 

Wenn es um harte Rockmusik aus Deutschland geht, kommt kein sich ernsthaft mit dem Genre beschäftigender Hörer um die Berliner von Kadavar herum. Seit 2012 veröffentlichen die drei Musiker Alben in der Tradition von Hawkwind und Pentagram, die dermaßen hochwertig produziert sind, dass die Bekanntheit der Band über die deutschen Grenzen hinaus kein wirkliches Wunder ist. Einen Tag vor dem ersten Advent spielten Kadaver im Backstage in München und – wie es nicht anders zu erwarten war – bildete sich pünktlich um 19:30 Uhr eine lange Schlange vor den Toren des bekannten Kulturzentrums. Zwar wurde für Kadavar nicht die große Halle aufgeschlossen, doch das randvolle Werk mit seiner Arena, die eine gefährliche Boxring-Atmosphäre ausstrahlte, beeindruckte nicht minder.

 

Durch das ausgedehnte Vorprogramm mutierte der Kadavar-Gig zum Mini-Festival. Das schwedische Quintett Horisont, Satan‘s Satyrs aus Virginia und allen voran die Kalifornier von The Shrine, die mit ihrem zwischen Metal und Punk pendelnden Sound Stimmung für das nach dem Headliner dürstende Publikum machten, hinterließen durchweg positive Eindrücke. Viele Bands bedeuten jedoch auch viele Pausen zwischen den Shows, was sich alle dreißig Minuten am überlaufenen Tresen zeigte. Der wurde jedoch schneller leer als Lemmy Kilmisters Whiskeyflasche, nachdem Christoph Lindemann, Simon Bouteloup und Christoph Bartelt die Bühne betraten. Von Kopf bis Fuß so gestylt, wie sich Nicht-Metal-Hörer eine Metal-Band vorstellen, standen Kadavar vor ihrem Publikum. Das im August erschienene dritte Album „Berlin“ musste angemessen gefeiert werden und wurde es dann auch mit unzerstörbaren Hymen wie „Last Living Dinosaur“ oder „The Old Man“.

 

 

“Wir sind die Scorpions der NDW”, prahlte Fehlfarben-Sänger Peter Hein im Scherz auf der Bühne des Waldsees in Freiburg. Völlig falsch ist das möglicherweise gar nicht, denn vor dem Spielen ihres größten Hits „Ein Jahr (Es geht voran)“ stellte er nicht ganz unwahr fest: „Und jetzt das Lied, das euch eure Eltern immer vorgespielt haben.“ Wobei ein Blick durch den Konzertsaal zeigte, dass nicht die Kinder seiner früheren Anhängerschaft, sondern tatsächlich die Hörer aus den Achtziger Jahren im vollen Waldsee zu Gast waren. Fehlfarben spielten sich dann auch – vom Publikum entsprechend bejubelt und betanzt – durch mehr als 30 Jahre Bandgeschichte und gaben dem aktuellen Album „Über… Menschen“ dabei genug Raum für fast alle Lieder der Platte. Die Zuschauer nahmen die Songs gebannt an, was vielleicht auch ein Mitverdienst der Vorgruppe Die Wilde Jagd war, welche mit ihren größtenteils instrumentalen Stücken im wahrsten Sinne des Wortes eingegroovt haben.

 

live im Waldsee: Fehlfarben spielen unter einem Kronleuchter

 

Ein wenig aus der Zeit gefallen wirkte Peter Hein, der eindeutig der Mittelpunkt von Fehlfarben zu sein scheint, dennoch. „Ficken“ und „Arschloch“, ironisch-politisch aufgeladene Statements und ein heftiger HipHop-Diss gehen ihm an diesem Abend leichter von den Lippen als irgendein wohlwollendes Wort. Er stolpert über die Bühne, reißt bei all der Hektik sogar sein Kabel aus dem Mikrofon, worauf seine Band mit Background-Gesang reagierte. Fehlfarben und allen voran ihr Sänger sind schon eine kuriose Gruppe, die zumindest an diesem Abend in keinster Weise altersbedingte Müdigkeit an den Tag legte. Ob die Kratzbürstigkeit aus früheren Tagen heute nur noch Verkaufsmasche ist, möchte ich mir nicht anmaßen zu behaupten. Die finale Verabschiedung nach einem ausgiebigen Zugabenblock hatte dann aber doch wieder das Geschmäckle, das sich Hein – meiner Meinung nach – verkneifen könnte: „Und viel Spaß beim Studieren.“ Du mich auch, Peter.

 

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